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Der zweite Chemoblock beginnt

Aktualisiert: 7. Juni 2020


Zurück aus Italien habe ich nur zwei Tage, um wenigstens das Notwendigste zu erledigen. Ab Freitag fahre ich nämlich schon wieder übers Wochenende mit den Volleyballern nach Wien. Freizeitstress? Jawohl! Aber ab Montag beginnt mein nächster Chemoblock, bei dem ich dann 12 Mal jeden Montag meine Infusionen bekomme. Dann kann ich zumindest am Stück nicht mehr so lange weg.


Irgendwie ist das schon ganz schön viel im Moment. Aber es hat sich einfach so ergeben. Der Trip nach Wien stand schon lange fest. Italien war dagegen eine spontane Entscheidung.


Medizinische Untersuchungen


Bevor es allerdings nach Wien geht, muss ich neben meinen liegengebliebenen Haushaltsangelegenheiten noch meine medizinischen Termine abarbeiten.


Das Herzecho zur Kontrolle nach dem ersten Chemoblock ist dabei reine Routine. Für mich nicht sehr aufregend. Es ist wie erwartet auch alles in Ordnung. Es könnte aber sicherlich auch anders sein. Die Nebenwirkungen von Epirubicin (rote Chemikalie) und Cyclophosphamid lösten tatsächlich auch bei mir Herzrasen aus. Dies zeigt: Die Chemo ist tatsächlich nicht so ganz ohne!


Wie ich mir bereits in Italien vorgenommen habe, rufe ich in der Frauenklinik in Ingolstadt an. Ich frage nach, ob sie meinen Tumor kontrollieren könnten, inwieweit er denn geschrumpft oder vielleicht sogar gewachsen sei. Ich bekomme als Antwort, das würden sie dort nicht machen. Ich solle das bei meinem Gynäkologen abklären, der auch den Erstbefund erstellt hat. Dadurch hätte ich dann zudem den direkten Vergleich.


Viele Informationen in der Frauenarztpraxis in Eichstätt


So mache ich einen Termin in Eichstätt aus. Wie mein Onkologe in Beilngries kann der Arzt in Eichstätt mir allerdings nach der Ultraschalluntersuchung aber auch nicht genau sagen, ob der Tumor denn nun kleiner geworden ist. Er denke schon, dass die Ränder etwas flacher seien. Aber genau messen lasse sich der Tumor nicht, da er nahtlos in gesundes Gewebe übergehe.


Der Arzt nimmt sich dieses Mal sehr viel Zeit, obwohl noch viele Patienten warten. Ausführlich beantwortet er all meine Fragen, die sich bei mir über das erste Vierteljahr Chemo angesammelt haben und mir sehr am Herzen liegen. Er zeigt mir ein Bild in einer medizinischen Fachzeitschrift. Mich erinnert das ein bisschen an einen Pressack. So könnte ein Tumor innen aussehen. Ein Tumor ist oft keine homogene Masse. Er kann aus unterschiedlichen "Gewebearten" bestehen. So könne es sein, dass einzelne Teile auf bestimmte Zytostatika ansprechen und zerfallen. Resistentere Teile würden dann aber schnell in die entstandenen Lücken reinwachsen. Von außen erkennt man dabei allerdings keinerlei Veränderung. Geschwächt würde der Krebs aber durch die Chemo schon.


Er rät mir auch zur totalen Entfernung der Brust, da ja in meinem Fall durch die Infiltrierung der Brustwarze alle 4 Quadranten der Brust befallen seien. Einen Brustaufbau erachtet er persönlich als nicht so sinnvoll. Dann würden ja wieder OPs anstehen. Unter anderem würde da mit dem Fettgewebe aus dem Bauch eine neue Brust aufgebaut - also müsste auch nochmal an einem anderen Körperteil herumgeschnibbelt werden.


Ich nehme als Drittes noch aus der Besprechung mit, dass er die Tabletten Tamoxifen sehr empfehlen kann. Er habe diesen Hormonblocker auch schon einmal einer alten Frau verordnet, die schon zu alt war, um eine Operation oder eine Chemo zu überstehen. Dieses Medikament habe deren Tumor so gut in Schacht gehalten, dass sie noch viele Jahre sehr agil gelebt habe und schließlich mit über 100 Jahren nicht an Brustkrebs gestorben sei.


Als ich aus dem Behandlungsraum herauskomme, bekomme ich mit, dass gerade eine Dame wegen der langen Wartezeiten vertröstet wird. Sie tut mir zwar Leid, aber mir hat dieses Gespräch total gut getan. Ich habe mich aufgehoben und ernst genommen gefühlt. Für meine Psyche ist das gerade jetzt sehr wichtig, weil ich hinsichtlich des Behandlungserfolges doch sehr verunsichert bin.


Mit den Volleyballern in Wien


In Wien erlebe ich einen lustigen Kulturtrip. Wir Bayern fallen hier auch überall auf.



Wir werden von einer junggebliebenen Wienerin zu den bekannten Sehenswürdigkeiten geführt. Ihr Wiener Dialekt mit all seinen Eigenheiten ist köstlich. Sie passt dabei immer gut auf, dass auch niemand den Anschluss verliert. So ruft sie einmal ganz laut mit wienerischem Dialekt durch die Straßenbahn: "Alle hier aussteigen!" Worauf sich nicht nur unsere Gruppe aus Bayern angesprochen fühlt. Auf dem Bahnsteig klären wir dann die verwirrten Wiener auf und sie stürmen gerade noch rechtzeitig in den Wagon zurück, bevor dieser wieder weiterfährt.


Zufällig kommen wir bei einem Science and Society Festival auf dem Maria Theresia Platz vorbei. Auch Krebs wird in einem Themenzelt behandelt. Ärzte der Uni Wien stellen dabei vor allem die Immuntherapie vor. Das eigenen Immunsystem stärken, eine wichtige Waffe im Kampf gegen Krebs.


Dabei ist Entspannen "zum Gesund" werden oder auch bleiben auf jeden Fall sehr wichtig. So lasse ich meine Seele und Füße in der Wiese vor dem Kunsthistorischen Museum baumeln und biete unserer Fotografin Anja ein unterhaltsames Motiv.





Das nächste Vierteljahr mit der neuen Chemo beginnt


Nach meinem Wien-Trip begebe ich mich mit neuem Elan am 10. Oktober in meine zweite Chemorunde. Hoffnungsvoll klingen mir noch die Worte meines Onkologen im Ohr: Sie werden sehen bei Paclitaxel, das wöchentlich gegeben wird, da schrumpft der Tumor dann Zack Zack. Wenn es nach ihm ginge, würde er auch die Abfolge der beiden Behandlungszyklen umdrehen.


Die Arzthelferin klärt mich über den genauen Ablauf auf. Sie hat mich auch im ersten Vierteljahr bereits immer hervorragend betreut. Dieses Mal bekomme ich als erste Maßnahme eine Infusion mit Fenistil verabreicht. Fenistil kannte ich bisher lediglich als Gel für die Behandlung von Insektenstichen. Damit soll der Stich nicht so anschwellen. Bei Kindern hat das auch den psychologischen Aspekt, dass man überhaupt irgendetwas gegen die Schmerzen macht. Das ist für sie schon einmal sehr beruhigend. Nun ist es dazu da, dass ich keine allergischen Reaktionen auf den Wirkstoff Taxol bekomme. Es macht allerdings müde. Daher darf ich bei diesem Zyklus nicht selbst Autofahren. Mein Mann Georg bringt mich deshalb meist um 10 Uhr morgens zur Praxis und holt mich auf meinen Anruf hin gegen Mittag wieder ab.


Die Infusion mit Fenistil läuft nun. Ich lese, lese ... und plötzlich nach ca. 10 Minuten merke ich, wie sich mein Körper total entspannt. Der Muskeltonus fällt ab und ich werde schlagartig müde. Sofort lege ich mein Buch zur Seite, stelle meinen Stuhl auf Liegeposition und dämmere auch schon weg.


Paclitaxel das Gift der Eibe


Nach weiteren 10 Minuten ist das Fenistil durchgelaufen und ich sehe noch etwas benebelt wie die Arzthelferin die Infusion umsteckt. Paclitaxel läuft jetzt über meinen Port in meinen Körper. Der Wirkstoff ist eigentlich ein Naturprodukt: Taxol, bekannt auch als Eibengift. Mein Mann Georg baut Eiben auch auf seiner Christbaumkultur an und verwendet sie auch in Sträuße als Symbol-pflanze. Sie wurde oft auf Gräber gepflanzt. Georg meinte im Scherz bereits seit ein paar Wochen, ich könne ja schon einmal vorher mit der Chemo anfangen und an seinen Eibenzweigen knabbern. Für Tiere, wie Pferde, sind diese Pflanzen übrigens sehr giftig und können für sie sogar tödlich sein. Als wir diesen Sommer unsere Schafe bekamen, hat er vorsichtshalber die Eiben mit einem Zaun eingemacht. Aber wie sich herausstellte, fressen unsere Schafe weder die Christbäume noch die Eiben an und halten lediglich brav das Gras nieder.


Ich freue mich sehr auf dieses neue Medikament. Es soll mir helfen, dass der Tumor nun endlich kleiner wird. Gespannt bin ich natürlich auch wieder, was es sonst noch alles mit mir anstellt. Ich habe schon viel über die Nebenwirkungen gelesen. Wenn man die ewig lange Liste der möglichen Begleiterscheinungen so durchliest, fragt man sich allerdings: Wäre es nicht einfacher, aufzuschreiben, was man nicht bekommt?


Mittlerweile stöbere ich auch auf verschiedenen Foren im Internet, bei denen Frauen über ihre Erfahrungen mit Brustkrebs schreiben. Taxol vertragen viele Frauen besser als die erste Chemo mit EC. Es gibt aber auch Frauen, die bekommen dabei so starke Nervenschmerzen in den Händen und Füßen, dass sie die Chemo reduzieren oder gar ganz abbrechen müssen. Ich lasse das jetzt alles erst einmal sehr gelassen auf mich zukommen. Ich weiß, ich bin sehr robust und kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas total Nerviges auftritt ...


Ich will auch wiederum den Nebenwirkungen - soweit es mir nicht schadet - gar nicht soviel Aufmerksamkeit schenken. Das gelang mir ja auch beim ersten Block. Bis auf jeweils die ersten paar Tage der Chemo konnte ich da beinahe immer alles machen wie sonst auch. Die Blutwerte haben immer gepasst. Allerdings habe ich zur Unterstützung pro Chemoeinheit eine Lonquex bekommen. Diese Spritze durfte ich mir zwei Tage nach der Infusion zu Hause selber geben. Sie regt das Wachstum der Blutkörperchen im Knochenmark an. Dies verursacht im Gegenzug aber Schmerzen in den Knochen. Aber das war gut ertragbar.



Durch die erste Chemo bin ich ohne jeglichen Verzögerung oder größere Komplikation gekommen. Ich hoffe, dies funktioniert dieses Mal wieder so reibungslos. Wobei das ja nicht das Wichtigste ist. Das Wichtigste ist natürlich, dass die ganze Prozedur hilft. Aber davon will ich mal ausgehen ...




Noch ein Hinweis zum Titelbild:


"Fuck cancer" steht da auf einem weinroten T-shirt. Etwas derb, aber so ist die Haltung von vielen gegenüber Krebs.

Das unscheinbare T-shirt hing einfach so zwischen anderen in einem Souvenierladen in Amalfi in Italien.

Das zeigt: Krebs ist in jedem Land ein Thema. So wie bei mir bei meinem Urlaubstripps in Italien und Österreich. Und wie die Krankheit selbst kann es auch ganz unverhofft überall auftauchen!












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