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Dankbarkeitskerzchen

Aktualisiert: 23. Aug. 2021

Ein Jahr endet, ein neues beginnt: Zeit um „Danke" zu sagen! Dabei hilft ein kleines Bienenwachskerzchen. Wir verschenken sie in der Klosterbuchhandlung zu Weihnachten an unsere treuen Kunden. Bruder Clemens vom Kloster Schweikelberg hat diese in Handarbeit hergestellt. Die nach Bienenwachs riechenden gelben Kerzen gibt es als kleine Röschen, mit Bienen und noch anderen Verzierungen. Ich mag sie.




Auch meinen afghanischen Volleyballern überreiche ich zum Saisonabschluss ein Bienenwachsröschen. Ich frage sie dabei: „Wisst ihr noch, wo ich im Jahr zuvor um diese Zeit war?" Einer meint: „Urlaub mit Anna?" Das wäre natürlich die angenehmere Alternative gewesen. „Nein, genau vor einem Jahr war ich im Krankenhaus", informiere ich. „Damals war es mir nicht ganz klar, ob ich je wieder Volleyballspielen kann", erzähle ich ihnen weiter. Jetzt nach einem Jahr bin ich einfach nur dankbar, dass ich immer noch in dieser Mannschaft mitspielen kann.


Auch die Jungs sind dankbar


Aber sicherlich habe nicht nur ich viel Grund, dankbar zu sein. So solle sich auch jeder von den Spielern überlegen, wenn er sein Kerzchen anzündet: Für was ist er denn in diesem Jahr dankbar? Ganz spontan fängt gleich der erste an zu erzählen: „Ich konnte meinen Führerschein machen und habe jetzt auch ein Auto. Da habe ich mir einen langen Traum erfüllt." ... Ja, das finde ich echt sehr faszinierend, was sich einige der Jungs in der kurzen Zeit bereits erarbeitet haben: Die Sprache gelernt, eine anspruchsvolle Arbeit oder sogar eine Ausbildung absolviert, eine Familie gegründet ... Und auch Volleyballspielen haben sehr viele hervorragend gelernt. Wir spielen mittlerweile in einer Freizeit-Liga mit. Dort herrscht so ein hohes Niveau, dass auch ich körperlich nun langsam an meine Grenzen komme. Aber wir können dort dennoch ganz gut mithalten und sind zumindest nicht auf dem letzten Platz. Damit auch Anfänger gegen andere Mannschaften spielen können, unternehmen wir zudem noch Freundschaftsspiele. Zu unserem Volleyballspiel nach Kipfenberg sind dann auch die Geflüchteten mit zwei Autos selbst hingefahren. Dass das in dieser kurzen Zeit, in der sie nun in Deutschland sind, möglich ist, hätte ich mir nie träumen lassen. Ich bin schier vor stolz geplatzt.


Für die Jungs bedeutet ein Auto natürlich gewonnene Freiheit. Sie hatten ja nie jemanden, der sie schnell einmal fährt - wie das in unseren Familien am Land fast normal ist. Zudem ist ein Auto natürlich auch für die afghanischen Männer ein Prestigeobjekt. Sie können nach außen zeigen, was sie sich leisten können. Sie gehören auf einmal ein Stück weit mehr hinein in unsere Gesellschaft. Psychologisch stärkt sie das natürlich ungemein. Ja, es gibt so viel Gründe ein Dankbarkeitskerzchen anzuzünden.



Spannend für mich zum ersten Mal nach 35 Jahren wieder in Kipfenberg, meinem Geburtsort, Volleyball spielen zu dürfen.



Und wofür brennt denn mein Kerzchen? Ich blicke zurück...


Zwischen den Jahren halte ich jedes Jahr meinen Rück- und meinen Ausblick. Ich gehe dabei anhand meines Terminkalenders die einzelnen Termine und Stationen in Gedanken noch einmal durch. Erspüre, wie es mir vor allem auch gefühlsmäßig in diesen Situationen erging. Ich lasse einiges noch einmal nachklingen. Versuche Begebenheiten zu reflektieren, um für die Zukunft daraus zu lernen.


Zu Beginn des Jahres 2019 stresste mich doch sehr mein linker Arm, bei dem die Lymphe entfernt wurden. Er spannte gewaltig. Ich hatte das sogenannte Geigensaitensyndrom. Damit hatte ich ja überhaupt nicht gerechnet. Die Bestrahlungszeit zauberte mir dagegen wieder ein Lächeln ins Gesicht. Ein Highlight war dann auch das erste Haareschneiden und die Geburtstagsüberraschung in der Turnhalle durch die Jungs.



Jahreshighlights: Bestrahlungszeit, erstes Haareschneiden und meine Jungs am Geburtstag.


Die noch notwendige Tablettenchemo bescherte mir das Hand-Fußsyndrom, bei der meine Hände und Füße dick wurden und meine Haut abging. Mein Arm ziepte auf Grund von Wassereinlagerungen oder Sehnenschmerzen. Das war alles ziemlich nervig, aber irgendwie schon zu bewältigen.


Meine zusätzliche Tablettenchemo bescherte mir noch so manche beschwerliche Nebenwirkung. Auch meine Lymphe verursachen mehr Stress, als mir lieb ist.



Depressives Loch


Als ich mit meiner Tablettenchemo fertig war, musste ich mit meiner Antihormontherapie anfangen. Während dieser Zeit wollte ich eigentlich dann auch auf Kur. Aber da ist bei der Rentenversicherung etwas schief gelaufen. Ich fand die Warterei auf die Bewilligung total nervig. Irgendwie fiel ich nach der Beendigung der Chemo in ein depressives Loch. Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass das passieren könnte. Ich war ja bisher fast rund um die Uhr nur noch mit meiner Krankheit beschäftigt. Musste ständig zum Arzt oder Apotheker. Zudem informierte ich mich pausenlos im Internet. Nun fiel dieses aktive Kämpfen weg. Ich war leer: So wie man das oft ist, wenn man ein sehr aufwendiges Fest vorbereitet hat und danach erst einmal platt ist und gar nichts mit sich anfangen kann. Ich wusste auch: Ich muss ja nun nach der langen freien Zeit wieder zurück in irgendeinen Alltag. Manche Frauen berichteten aber auch, dass die Hormonblocker sie depressiv werden ließen. Ich konnte es nicht genau einordnen. Vielleicht war es ja mal wieder ein Mix aus Seele und Körper? Auf jeden Fall war es für mich eine neue Erfahrung. Meine Stimmung war irgendwie gedämpft. Ich kann dadurch nun ganz gut mitfühlen, wenn es einem schwer fällt sich zu freuen und man vieles einfach nur noch negativ sehen kann. Gott sei Dank war diese Phase bei mir aber wirklich nur vorübergehend.



Mit Hilfe von Annas positiver Ausstrahlung klappen auch meine Mundwinkel langsam wieder nach oben.


Urlaub in Paris, die Taufe von Evelin und schließlich die Wiedereingliederung in meine Arbeit: All das half mir, die Welt wieder etwas positiver zu betrachten. Zudem achtete ich bewusst darauf, Dinge zu machen, die mir einfach nur Spaß machten. Und ich merkte auch: Ich liebe meine Arbeit. Es war zwar gut, dass ich einmal so lange Abstand haben durfte. Aber prinzipiell hat mein Job für mich etwas heilsames, wohl tuendes. Alleine die klare Struktur durch die Arbeit ist für mich Gold wert. Die Wiedereingliederung schenkte mir zudem auch erst einmal den Freiraum, entspannt dort wieder anzukommen.


Schön, dass ich diese Tür zu "meiner" Buchhandlung wieder regelmäßig öffnen darf.

Den größten Pluspunkt auf der fiktiven Waage meines Jahresrückblicks legte aber unsere Enkelin Evelin. Allein für dieses bezaubernde Mädchen würde ich eine ganze Kerzen-Pyramide anzünden. Sie bringt durch ihr strahlendes Lachen ganz viel Helligkeit in mein Leben.


Sind so kleine Hände. Winz'ge Finger dran. Darf man nie drauf schlagen. Die zerbrechen dann. Lied Bettina Wegner

So kann ich am Ende wirklich auch ganz klar sagen: Dieses Jahr war nicht ganz einfach, aber doch überwiegend wieder positiv. Ich musste feststellen, dass mein Körper doch nicht ganz unbeschadet aus meiner Krebsbehandlung hervorging. Aber damit werde ich mich wohl arrangieren müssen - bzw. an einer Verbesserung arbeiten.


Und genau das ist es, was ich dann auch aus meinem Rückblick herausziehen will. Ich will schauen, was war ok und was sollte ich vielleicht im neuen Jahr ändern. Diese neuen Ziele und Visionen schreibe ich dann in meinen neuen Terminkalender. Das Jahr über schaue ich dann immer wieder einmal zur Orientierung nach, um meine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Spannend ist es dann natürlich am Jahresende zu überprüfen: Habe ich meine Jahresziele erreicht?


Apropos: Was hatte ich eigentlich letztes Jahr als Jahresziel aufgeschrieben? Mir ist das gar nicht mehr so präsent. Neugierig blättere ich in meinem Terminkalender ganz nach vorne. Oh! Da steht dieses Mal nur ein Satz: Gesund werden.


Anscheinend hatte "Gesund werden" im Jahre 2019 für mich die höchste Priorität.

Und jetzt sollte ich mir noch eine ehrliche Antwort geben auf die Frage: Habe ich auch dieses Jahr mein Ziel erreicht?



Wie lautet hier eine ehrliche Antwort?


Ja, ich fühle mich momentan gesund. Und ich habe mich auch schon getraut, dies laut auszusprechen. Mein Tumor wurde entfernt. Mein Körper hat zur Zeit keine erkennbaren Metastasen. Was irgendwann einmal sein wird, muss mich jetzt noch nicht belasten.


Daher würde ich mal sagen: Jahresziel erreicht.



Und wie habe ich diesen Marathon über 1,5 Jahre überstanden? Auf allen Vieren, so wie ich hier beim Triathlon in Roth über die Ziellinie robbe?


Oder doch eher mit Daumen nach oben in der Siegerpose?



Eigentlich ist das egal. Auch die Zeit, die ich dafür gebraucht habe, ist irgendwann unwichtig. Hauptsache ich bin einigermaßen heil durchgekommen.


Und so habe ich doch wirklich allen Grund ein Dankbarkeitskerzchen anzuzünden.


Und für was brennt dein Dankeskerzchen?
Für was brennt dein Dankeskerzchen?












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