Gesundheitlich war in diesem Jahr nichts weltbewegendes. Das Thema Krebs ist in meinem Leben wieder ein Stück weiter nach hinten gerückt. Trotz Corona durfte ich sehr viel erleben. Denn weder Krebs noch Corona können mein Leben total lahm legen.
Das Jahr 2021 beginnt allerdings erst einmal sehr ruhig: Es ist Lockdown. Die Klosterbuchhandlung, in der ich seit 18 Jahren arbeite, hat mal geöffnet und mal geschlossen. Ich nutze die freie Zeit, um unser Haus wieder auf Vordermann zu bringen. Ich mag mittlerweile Tätigkeiten sehr, bei denen man nicht groß denken muss. Denn dabei kann ich Podcasts hören. Superstarke Kopfhörer erleichtern dies. So beseitige ich Spinnweben im Keller, während ich philosophischen Themen zuhöre oder bei "Eins zu eins der Talk" verschiedenen Lebensbildern lausche. Zudem interessieren mich Sendungen zu Integration, Achtsamkeit und doch immer wieder auch medizinische Youtube-Videos zum Thema Krebs. Denn so ganz weit weg ist für mich meine Krebserkrankung doch noch nicht. Unabhängig davon hat jeder auch mal nicht ganz so prickelnde Tage. Das ist bei mir zwar selten, aber kommt einfach vor. Dann lasse ich mich von eher aufmunternder Musik berieseln, die mich stimmungsmäßig wieder nach oben zieht. Dank Spotify höre ich mich dann am liebsten durch Queen, Beatles, Cat Steevens oder Amira Willinghagen. Meist singe ich noch unter den Kopfhörern lautstark mit. Wie sich das allerdings für Außenstehende anhören mag, darüber will ich lieber nicht nachdenken. In der Regel bin ich eh alleine im Haus. Lediglich unsere Jagdhündin Lina verdreht bei meinem Gesang gelegentlich ihre Augen oder jault verstohlen mit.
Verbissgutachten
Tja, aber auch Podcasts-Hören wird irgendwann langweilig. Daher freue ich mich riesig darüber, dass ich mit meinem Mann Georg zum Forstlichen Gutachten in den Wald darf. Verbissgutachten, wie es auch genannt wird, findet alle drei Jahre statt. Anhand eines Gitternetzes über ganz Bayern werden in den Revieren geeignete Aufnahmepunkte gesucht. Dort markiert man mit Wäscheklammern ungefähr 20 Bäumchen pro Fluchtstab und schaut nach, ob diese von Rehen verbissen sind. Mein Job dabei ist vor allem, die gewonnenen Daten in einen kleinen Laptop zu tippen. Dies mache ich nun bereits zum dritten und leider wohl auch zum letzten Mal mit meinem Mann zusammen. Er geht nämlich im Oktober als Förster in den Ruhestand. Mir macht es jedes Mal unheimlich Spaß, gegen Bezahlung mit meinem Mann durch den Wald zu fahren und die Verbisspunkte aufzunehmen. Flirten im Dienst erlaubt, bzw. sogar erwünscht 😍. Bei den Aufnahmen begleiten uns auch immer wieder Waldbesitzer und Jäger mit ihren Hunden, aber auch Fuchs und Hase. Einmal stehe ich sogar mit einem Reh Auge in Auge. Keine Ahnung, wer da mehr erschrocken ist. Natur hautnah! Wäre es manchmal noch etwas wärmer gewesen, wäre mein Glück schon fast perfekt.
Bäumchen mit Wäscheklammern dekorieren, dabei Hund und Mann streicheln. Ein Traumjob!
Datenblatt zur Dorfkirche
Die freie Zeit nutze ich auch zum Erstellen eines Datenblattes zu unserer Kirche. Ein Mitglied aus unserer Gruppe "Dorf-Chronik Biberbach" hat bereits sehr umfangreich Textbeiträge über unsere Kirche geschrieben. Mein Part ist nun, diese soweit zu kürzen, dass sie auf 4 Seiten passen. Zudem muss ich noch ein paar Fotos machen. Eigentlich keine große Arbeit. Allerdings habe ich bestimmte Vorstellungen, wie das Titelbild von unserer Wehrkirche ausschauen sollte: Auf jeden Fall blauer Himmel mit ein paar weißen Wölkchen muss sein. Zudem sollen keine Autos drauf sein. Schließlich überlege ich mir: Die Birke davor wäre im frischen Grün noch attraktiver. Und letztendlich warte ich dann noch auf die Rosenblüte an der Kirchenmauer. Echt ätzend, wie oft ich mich da mit dem Fotoapperat und zum Teil sogar mit einer Stehleiter in unser Dorf aufmache. Aber irgendwann habe ich dann ein einigermaßen zufriedenstellendes Foto im Kasten und kann die Druckfreigabe starten. Somit ist nun zumindest ein kleiner Teil unserer jahrelangen Chronikarbeit schon einmal abgeschlossen.
Integrationsprojekt: Die Welt in Beilngries
Und damit kann ich mich endlich ganz auf unser Fotoprojekt konzentrieren. Die Corona-Inzidenzen sanken ja über die Zeit soweit, dass ich im Frühsommer wieder Kontakte pflegen kann. So begebe ich mich also meist abends nach der Arbeit mit meinem Freund und Fotografen Mevlüt Altuntas mit Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern auf Fototour durch Beilngries. Wie bereits im Kapitel: Meine Menschen des Jahres beschrieben, leben in Beilngries mehr als 80 Nationen. Mein Ziel ist es, diesen Menschen Wertschätzung entgegenzubringen und sie auf kreative Weise der Bevölkerung als echte Bereicherung näher vorzustellen. Ausführlicheres zu unserem Integrationsprojekt kann man im Zeitungsbericht von Regine Adam im Donaukurier nachlesen.
Dazu darf ich die Menschen während unserer Fotowalks, aber vor allem auch in einem separaten Treffen danach, noch interviewen. Ich stelle ihnen viele Fragen: Wie sie denn ausgerechnet in Beilngries gelandet seien, was ihnen an unserer Kleinstadt gut, aber auch weniger gut gefalle. Unsere Tochter Anna schreibt schließlich aus meinen Aufzeichnungen sehr einfühlsame Texte, die zu den Bildern im Haus des Gastes aufgehängt werden sollen.
Urlaub in der Toskana
Aber soweit ist es in diesem Moment noch lange nicht. Unzählige Planungsschritte sind über den Sommer noch notwendig: Einiges organisiere ich im Juli noch von Italien aus, denn die Zeit läuft unaufhaltsam weiter.
Die Anspannung verlässt mich daher auch nicht in meinem Urlaub. Auch wenn dies vielleicht in den Bildern, bzw. dem kleinen Film nicht so sichtbar ist. Anna hat dieses Video eingefädelt. Meine Schwester Silvia und ich haben uns einfach ein bisschen an die Hand nehmen lassen. Erst im Nachhinein wird uns bewusst, was für eine unheimliche Begabung unser Madl da hat. Der Film über die Toskana zeigt eine durchaus ansteckende Lebensfreude. Und wir hatten in der Tat echt viel Spaß zusammen.
Gelungene Ausstellungseröffnung
Tja, und dann muss ich im September echt einen Zahn zulegen. Der Druck lastet schon ein bisschen auf mir, alles bis zum 1. Oktober auf die Reihe zu bringen. Vor allem auch wegen Corona. Welche Auflagen werden wohl zu dieser Zeit sein? Wieviel Personen dürfen zur Vernissage eingeladen werden? Welche Saalgröße sollten wir daher schon mal reservieren. Darf man die Gäste denn überhaupt bewirten? Welche Musik passt zu diesem Rahmen und ist auch erschwinglich? ... Von Woche zu Woche fügen sich dann aber die Teile wie bei einem Puzzle total harmonisch ineinander. Und ich bin am Ende sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Vieles erlebe ich als Geschenke, die sich einfach so ergeben haben. Vor allem aber bin ich dankbar über viele kompetente Freund/innen, die mich mit Rat und Tat unterstützen. Darunter auch Bürgermeister Helmut Schloderer und die Damen des Rathauses und Tourismusbüros. Sie alle sind wie ein stabiles Netz unter mir, die mir Halt und Sicherheit schenken. Allen voran natürlich Mevlüt: In beeindruckender Eintracht konnten wir aus einem immensem Pool seiner wunderbaren Bilder eine stimmige Auswahl zusammenstellen. Zudem war es beruhigend, zu wissen, dass mit Regine Adam begeisternde Presseberichte entstehen würden, die das Konzept und die Ausstellung bestens wiedergeben.
Es war einfach alles nur rund. Die Vernissage war dabei natürlich für mich das Highlight. Wie schon so oft druckte ich meine Rede erst Minuten vor Beginn der Veranstaltung aus ... So bin ich halt. Ohne Druck geht bei mir nicht soviel. Aber was ich unter Zeitdruck leisten kann, erstaunt mich dann manchmal selbst. Und irgendwie klappt ja diese Art Punktlandung in der Regel auch.
Und so bin ich schließlich nur noch dankbar, dass ich in der interkulturellen Woche die Besucher der Ausstellung bei schöner Hintergrundmusik mit netten Gesprächen begleiten darf. Das Glück will es dann noch, dass ausgerechnet am letzten Ausstellungstag der "Verkaufsoffene Sonntag" in Beilngries stattfindet und noch einmal unzählige Besucher die Bilder und Texte bewundern können.
In unserem Gästebuch reihen sich schließlich zahlreiche positive Kommentare aneinander. Eine Art Lohn für die doch sehr zahlreichen Stunden an Arbeit.
Auch im Donaukurier werden die Kommentare der Ausstellungsbesucher/innen zitiert.
Persönliches Resümee hinsichtlich meiner Leistungsfähigkeit
Für mich selbst war dieser Kraftakt sehr wichtig. Mein Selbstwert war durch verschiedene Erlebnisse nämlich ziemlich im Keller. Zudem stufe ich mich ja schon immer eher als faul ein, weil ich im Gegensatz zu meiner total aktiven Familie oft mehr Zeit zum Nachdenken und Relaxen brauche. Daher hat es mir gut getan zu erleben, wie leistungsstark ich doch (noch) bin, wenn es wirklich darauf ankommt. Unter Adrenalin konnte ich sogar nachts durcharbeiten und dennoch am nächsten Tag früh aufstehen. Geht doch, dachte ich zunächst. Bis dann mein mir bekanntes Ohrgeräusch einsetzte, das mich mal wieder zurückpfiff und sagte: Madl übertreibe es nicht! Das tut dir auf Dauer nicht gut.
Was mir aber gut tat, war zu sehen, dass ich durchaus noch Reden halten kann. Ich genoss am Pult zu stehen und dabei sogar ein bisschen zu improvisieren. Seit meiner Chemo war dies das erste Mal. Viele Frauen klagen über ihr Chemo-Brain und dass die Merkfähigkeit nachgelassen habe. Immer wieder hatte auch ich den Eindruck, dass ich mich nicht mehr ganz so gut konzentrieren konnte. Aber vielleicht wollte ich mir ja auch gar nicht mehr alles merken. Auf jeden Fall hatte ich nun wieder das Gefühl gewonnen, dass die Dinge, die für mich wichtig sind, wohl schon noch abrufbar sind.
Ausstellung für daheim
Ja, und dann kommt im Oktober noch die Idee eines Buches zur Ausstellung ... und Gott sei Dank hat Anna eine Woche Urlaub und nimmt sich komplett dieser aufwändigen Arbeit an. Ich könnte das einfach nicht mehr stemmen. Waren wir ja auch seit Wochen in der Buchhandlung unterbesetzt. Auf Anna ist in dieser Hinsicht total Verlass: Rund um die Uhr erstellt sie mit viel Hingabe innerhalb einer Woche ein Meisterwerk. Das Fotobuch kommt dabei so gut an, dass wir bereits nach 4 Wochen einen Nachdruck veranlassen können.

Nähere Infos dazu hat wieder Regine Adam im Donaukurier sehr treffend zusammengefasst:
https://www.donaukurier.de/lokales/beilngries/Eine-Ausstellung-fuer-daheim;art601,4828928
Abschiedstour als Förster
Und parallel zu dem Ganzen begibt sich mein Mann Georg auf Abschiedstour: An die 40 Jahre war er Förster in Beilngries und Umgebung. Er war überaus beliebt und vor allem auch überall präsent. Unzählige geführte Wanderungen und Waldbegehungen mit Kindern sowie Erwachsenen bleiben in bester Erinnerung.
So strukturiert wie er immer war, hat er auch seinen langsamen Ausstand sehr überlegt vorbereitet. Über mehrere Wochen verteilt verabschiedet er sich bei seinen Waldbesitzer/innen und Rechtlern mit Bäumchen, Tannennadelhonig oder Birkenhölzern. In der ersten Oktoberwoche finden dann die offiziellen Feierlichkeiten mit den Kolleg/innen und Forstamtsleitern, sowie auch den Bürgermeister/innen und WBV-Verantwortlichen statt. Für mich ist es wichtig, ihn dabei wenigstens ein bisschen zu begleiten.
Immerhin war ich ja als "Frau Försterin" in viele Bereiche involviert. Georg hat eine wunderbare Begabung zu referieren. So lernte ich ihn 1984 während meines Praktikums auf einem Bauernhof bei einem Borkenkäfer-Vortrag kennen und lieben. Unzählige gemeinsame Spaziergänge in die Natur folgten.
Ich freue mich für ihn, dass er über all die vielen Jahre so kompetent und zufrieden seinen Traumberuf ausüben konnte. So steht es auch - sehr gut auf den Punkt gebracht - in einem Pressebericht des Donaukuriers . Schön ist es zu sehen, wie er diesen Lebensabschnitt nun wieder dankbar loslassen kann. Denn gemäß des Spruchs von Eduard Mörike "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", schaut mein Mann freudig nach Vorne - gerne auch viele gemeinsame Jahre zusammen mit mir.

Gemeinsam stark! Kurze Pause bei der Betreuung der Fotoausstellung vor dem Haus des Gastes in Beilngries.
Abgabe der Leitung in der Klosterbuchhandlung
Auch in meiner Arbeit findet im Sommer 2021 eine Veränderung statt. Eigentlich ist es ganz unspektakulär. Mir ist schon bald nach meiner Erkrankung klar geworden, dass ich die Last der Leitung nicht mehr tragen will. Ich habe 11 Jahre gerne diese Verantwortung übernommen, jetzt ist es aber an der Zeit auch wieder loszulassen.

Mein Arbeitsplatz: Ein lichtdurchfluteter Raum durch den ein Bächchen fließt: Traumhaft!
Ich liebe meine Arbeit, aber ich will einfach nicht mehr so viel Engagement in diesen Bereich investieren. Und sich hier nicht voll zu engagieren, bedeutet für den Klosterladen Stillstand. Und das ist nicht gut. Daher will ich Platz machen für eine neue Arbeitskraft, die mit frischem Elan an diese Aufgabe herangeht. Zu erkennen, wann es Zeit zu gehen ist, ist mir - wie meinem Mann - nicht schwer gefallen. Neue Aufgaben warten auf uns beide.
Enkelkind Simone

So werden wir im November 2021 erneut Großeltern: Simone erhellt unsere Zukunft. So wird vermutlich auch sie - wie bereits die fast dreijährige Evelin - irgendwann an meinem wöchentlichen Oma-Tag viel Lachen und frischen Wind in unser Forsthaus bringen und dafür sorgen, dass auch ich jung bleibe.
Und dann Ende des Jahres ist sie auf einmal da: Die Angst
Anfang Dezember hole ich mir eine starke Erkältung. Alle Last und Anspannung der letzten Wochen sind abgefallen. Neue Corona-Auflagen lassen Veranstaltungen und auch ein Volleyballtraining nicht mehr zu. Das bedeutet also, ich würde ja nicht ganz soviel verpassen, gesetzt des Falles ich würde nun krank...
Daher bin ich vielleicht nicht mehr ganz so vorsichtig beim Umgang mit kalten Füßen oder Mütze aufsetzen ... Auf jeden Fall habe ich in der ersten Dezemberwoche heftigste Kopfschmerzen, dazu kommt Schnupfen und ein nicht mehr enden wollender Husten, der mich nachts im Bett stehen lässt. Zudem hole ich mir - wie auch mein Umfeld - eine langwierige Magen-Darm Geschichte.
Meine Schwester Silvia besteht schließlich darauf, dass ich mich für eine Woche krank schreiben lasse. Tja, und wenn man dann so daliegt, merkt man erst, was einem sonst noch alles so weh tut. In meinem Fall ist das ein Stechen in der Brust, ein harter Oberbauch, ein Hubbel am Hinterkopf ... und schon beginnt sich das Gedankenkarrusell zu drehen. Doch Gott sei Dank vermag ich meist rechtzeitig wieder auszusteigen, bevor es so richtig Fahrt aufnehmen kann. Sich Sorgen machen nützt eh nichts. Sie sollten lediglich die Sorgfaltspflicht wieder stimulieren, den eigenen Körper genau zu beobachten und notfalls eben zu reagieren. Doch ich habe glücklicheerweise eh gleich nach Weihnachten meine mittlerweile halbjährige Nachsorge. Dieses Mal tut es mir dann besonders gut aus dem Mund meines Arztes zu hören: "Alles in Ordnung."
Und nun bin ich nach 1 Monat Herumkränkeln auch wieder einigermaßen fit und durch die, wenn auch wieder einmal unfreiwillige Auszeit, angenehm ausgeruht. Denn zugegebener Maßen: Auch wenn dieses Jahr für mich wunderschön und vor allem unvergessen bleiben wird, ein bisschen anstrengend war es schon: Mein Jahr 2021

Verabschiedung von den Försterkollegen meines Mannes auf dem Arzberg.