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Schreiben unter Zitrusbäumen

Aktualisiert: 23. Aug. 2021


Gerade habe ich Anna zum Flughafenbus gebracht. Nun sitze ich ganz stolz, dass ich meinen Bahnsteig ganz ohne meine Tochter gefunden habe, im Zug Richtung Pompeij. Ich will noch zwei Tage alleine in Italien verbringen. Glücklich lese ich in einem Buch und freue mich auf die kommende Zeit. Nach ca. einer halben Stunde frage ich vorsichtshalber meinen Sitznachbar auf Englisch, wann wir denn in Pompeji ankämen? Er schaut mich verwundert an und meint nur knapp: "Der Zug fährt nach Sorrent und nicht nach Pompeji!" Hilfe, Anna!


Mit einem Satz stehe ich mit meinem Köfferchen vor dem Ausgang und versuche die verschieden farbigen Zuglinien über der Türe zu identifizieren. Ich dachte, das sei alles ganz einfach. Schließlich sind wir ja schon zweimal Richtung Vesuv von diesem Bahngleis in Neapel aus weggefahren. Wer kann denn ahnen, dass da noch mehr Züge von dort abfahren😒. Schnell bekomme ich aber mit, dass ich nicht die einzige bin, die im falschen Zug sitzt. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Meine Mitleidensgenossinnen aus China haben dabei schon herausbekommen, wie es nun wieder am besten zurückgeht. Für die jungen Chinesinnen ist der Umweg allerdings ein größeres Problem als für mich. Sie kommen von Rom und wollten heute noch zur Amalfiküste und dann wieder zurück. Ich erkläre ihnen, dass dies auf Grund der Entfernung nun für sie auf keinen Fall mehr machbar sei und sie besser mit mir in Pompeji aussteigen und sich die Ausgrabungen dort anschauen sollten. Mit gut zwei Stunden Verspätung und drei Mal Umsteigen kommen wir schließlich - wie schon einmal zuvor - erst am Spätnachmittag in Pompeji an.




Da heute Tag der offenen Museen und somit der Eintritt frei ist, beschließe ich spontan noch einmal die weitläufige Ausgrabungsstätte von Pompeji zu besichtigen. Dieses Mal mit Audio-Guide. Die vielen neuen Informationen faszinieren mich so sehr, dass ich dabei die Uhrzeit total vergesse. Hilfe, bereits kurz vor 19.00 Uhr. Ich muss ja rechtzeitig meinen Audio-Guide zurückbringen. Wo in dieser riesigen Ruinen-Stadt befinde ich mich jetzt eigentlich? Ok, noch so weit bis zum Eingang. Das könnte knapp werden. Ich beginne zu laufen ... und bis ich mich versehe, stolpere ich über das unebene, über 2000 Jahre alte Pflaster und fliege unsanft in voller Fahrt auf die Straße. Ganz leicht konnte ich mich mit den Händen noch an einer Mauer abfangen. Sonst wäre das Ganze vielleicht noch schlimmer ausgegangen. Mein Knie blutet. Viele kleine Steinchen kleben in der Wunde. Ich spüle sie mit Mineralwasser ab. Hilfe! Anna!




Ich merke langsam, ohne meine Reiseführerin, meine aufmerksame Betreuerin Anna, sollte ich jetzt langsam selbst etwas mehr aufpassen. Erwachsen sein müssen ist soooo hart.😢


Warum bin ich eigentlich noch alleine in Italien geblieben? Meine Idee war, hier im Süden in einer schönen Atmosphäre noch ein bisschen Zeit zum Nachdenken zu haben und an meinem Blog weiterzuschreiben. Zu Hause lenkt mich einfach zuviel ab.





Hier unter Granatapfel-, Orangen- und Zitronenbäumen sollte mir das leichter fallen. Denn eigentlich bin ich ja gar nicht so der Schreibtyp. In der Schule war Deutsch nicht unbedingt meine Stärke. Bei meinen unendlichen Schachtelsätzen konnte ich oft am Ende des Satzes den Zusammenhang gar nicht mehr erkennen. Hundertmal durchgestrichene Passagen in meinen Aufsätzen machten diese nur schwer leserlich. Und meine Rechtschreibung war ein Grauen. Ich schaffte es tatsächlich, ein Wort in einem Aufsatz in drei verschiedenen Varianten zu liefern ... Im Computerzeitalter ist zumindest die Rechtschreibung kein Problem mehr. Und ich habe eine gute Lehrmeisterin. Anna ist von Kind auf schon sehr talentiert im Schreiben. Sie bringt es mir aufopfernd bei: Kurze Sätze und klare Strukturen sind das A und O, damit man einen Artikel leicht lesen kann. Und ich lerne gerne dazu ... und eigentlich macht mir schreiben auch Spaß. Es hilft Gedanken zu sortieren. Erlebtes sauber nachzuarbeiten und zu bewahren. Auch wird Tempo aus dem Leben genommen. ... denn Schreiben braucht Zeit. Und diese habe ich nun während meines Kampfes gegen Adonis. Für mindestens 1 Jahr.





In Pompeji will ich mich also jetzt auch wieder dem Schreiben widmen. Allerdings war ich gleich bei meiner Ankunft in meiner neuen Unterkunft etwas genervt. Ich hatte mir die Privatpension von Roberto herausgesucht, weil sie als ruhig und mit Garten beschrieben wurde und nun schallte da Musik aus dem Radio über das kleine Gelände. Für mich geht das leider gar nicht. Ich kann weder lesen noch schreiben, wenn mich irgendwelche Geräusche ablenken. So raffe ich mich auf und bitte Roberto, dass er doch die Musik ausmache, solange ich im Garten sei. Für mich ist das immer eine sehr große Überwindung, solche Sonderwünsche anzumelden. In diesem Fall war es aber notwendig, sonst hätte ich ja gleich nach Hause fahren können. Gott sei Dank, war das dann auch für ihn kein Problem. Er forderte mich sogar auf, ihm meine Wünsche explizit zu sagen. Ich solle mich auf jeden Fall hier wohlfühlen. Und das tat ich dann auch.




Hochkonzentriert und ohne Ablenkung komme ich auch sehr weit beim Schreiben meines Blogs und auch zum Lesen finde ich Zeit. Allerdings rauchen da irgendwann die Gehirnzellen. So greife ich dann auf meine dritte Säule zurück, die mir unheimlich Spaß macht: Das Fotografieren. Und auch dafür ist dieser Garten und die Natur hier wunderbar geeignet. Strelitzia, Maronie und Kakteen wachsen in freier Natur.



Strelitzia oder Paradiesvogelblume im Garten

Früchte der Maronie

Blüten und Früchte von Kakteen



Jetzt blüht mein Herz noch einmal so richtig auf: Gibt es einen schöneren Ort fürs Schreiben, Lesen und Fotografieren als in dieser Oase inmitten von Zitrusbäumen?








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