Vor drei Wochen habe ich eine Einladung des Türkischen Vereins Beilngries zu einem Fußballturnier erhalten. Ich habe die Jungs aus meiner Volleyballmannschaft gefragt, ob sie teilnehmen wollen. Natürlich wollten sie. Ich sollte dabei einen Ansprechpartner angeben. Ich schrieb an Dilek, eine der Verantwortlichen für das Turnier: Du kannst mich gerne als Ansprechpartnerin vermerken, aber schreibe doch bitte auch noch den Namen von Morteza mit auf. Er trainiert die Jungs für das Fußballturnier. Ich habe mittlerweile Krebs und die erste Chemo steht bald an. Daher weiß ich noch nicht, ob ich selbst am Turnier anwesend sein kann.
Dilek, die zweite Vorsitzende des türkisch-islamischen Kulturvereins, kenne ich bereits seit der Einweihung des Bürgerbegegnungszentrums Beilngries. Ich hatte damals die Aufgabe, den Kontakt zum Imam der türkischen Gemeinde herzustellen. Dieser sollte bei der Eröffnung - wie der katholischen Pfarrer - Segnungsworte sprechen. Da dieser aber kaum Deutsch kann, lief alles über Dilek ab. Sie übersetzte bei den Feierlichkeiten auch, was der Imam aus dem Koran rezitierte. Es war mucksmäuschenstill in der großen Turnhalle, als der Imam mit eindrucksvoller Stimme und geschlossenen Augen eine für unsere Ohren etwas ungewöhnliche Melodie anstimmte. Dass Vertreter dieser beiden Religonen nebeneinander eine Einsegnung vornahmen, war für Beilngries erstmalig. Es war für uns alle ein sehr bewegendes Zeichen. Sich gegenseitig respektieren in seiner Unterschiedlichkeit, miteinander ins Gespräch kommen, sind die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Dies wurde hier sichtbar vorgelebt. Klasse, dass das in Beilngries möglich ist.
Zum Abschluss trugen wir dann noch ein schwungvolles Deutsch-Afghanisches Lied vor. Bei diesem sang sogar Bürgermeister Alexander Anetsberger, die Landrätin Rita Böhm und die Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel begeistert mit.
Fußball unter United Beilngries
Die Jungs laufen in den Trikots unserer Volleyballmannschaft "United Beilngries" auf. Ich bin währenddessen noch zu Hause. Meine erste Chemo-Woche war schon ein bisschen anstrengend für mich. Durch das Epirubicin - das rote Zytostatika - schlug mein Herz ungewöhnlich heftig. Ich atmete schwerer und mein Kopf war vom Cortison auch ein bisschen rot. Heute ist es aber bereits Samstag und ich will unbedingt auf den Fußballplatz.
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Mittags bekomme ich eine Whatsapp-Nachricht von Ahmad, der mich wegen der Spiele auf dem Laufenden hält. Er schreibt mir: "Das erste Spiel haben wir verloren. Beim zweiten Spiel hat es einen Streit gegeben. Es ist noch unklar, ob wir weiter spielen dürfen oder nicht." Ok, was war da wohl passiert. Ich hoffe, sie dürfen weiterspielen. Eigentlich habe ich darüber gar keine Bedenken. Ich kenne die Jungs als friedliche und faire Spieler. Ich mache mich dennoch sofort auf den Weg. Als ich ankomme, erzählen sie mir, dass der Gegner nach einem Tor zu stänkern anfing. Das Ganze wurde etwas heftiger und der Schiedsrichter pfiff das Spiel ab. Da sich herausstellte, dass unsere Mannschaft total unschuldig war, wurde der Gegner disqualifiziert. Das war natürlich auch Glück für uns. Wer weiß, ob wir das Spiel gewonnen hätten. So bekamen wir auf jeden Fall 3 Punkte.
Das Wetter ist nicht so prickelnd. Aber für mich eigentlich wieder gut. Ich soll ja mit Chemo nicht soviel in die Sonne. Meine Haut ist sehr empfindlich. Ich hatte mir darüber schon im Vorfeld Gedanken gemacht, denn im Juni könnte es auch schon sehr heiß sein.
Die Jungs begrüßen mich erfreut. Auch viele andere Geflüchtete sind auf Grund meiner Werbung auf Facebook zum Zuschauen gekommen. So bietet sich ein buntes Bild an Zuschauern.
Ich habe Spaß daran zu fotografieren. Gut ist, dass auch der Gründer unserer Facebook-Fotogruppe da ist. So kann ich Mevlüt gleich fragen, in welchem Modus ich denn die schnellen Fußballbilder am besten machen kann. Ich hatte nämlich bei den 4- Länder-Turnieren, die Kolping in den letzten drei Jahren ausgerichtet hatte, bereits fotografiert. Da waren die Bilder meist unscharf. Bewegung braucht nämlich eine kurze Belichtungszeit.
Mevlüt Altuntas ist ein sehr begabter Hobbyfotograf. Auf seiner Website https://buidl-galerie.de/ kann man seine ausdrucksstarken Bilder und Texte bewundern.
Aber nicht nur ich fotografiere, sondern ich werde auch fotografiert. An diesem Tag entsteht mein erstes Bild mit Chemo. Mevlüt hat mich - ohne, dass ich es am Anfang gemerkt hatte - mit einem sehr starken Tele-Objektiv fotografiert. Ich mag das Bild total gerne. Daher steht es auch über diesem Blog.

Auch auf Facebook ist es mein Titelbild. Die Idee dazu hatte sogar Mevlüt. Er meinte, ich solle es so lange verwenden, bis ich wieder gesund bin. Danach will er ein neues von mir machen.
Auf facebook habe ich es mit den Worten: Frech, wild, frei hochgeladen.
In Anlehnung an das Zitat von Astrid Lindgreen "Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!"
Die Krankheit, bei der man nur noch wenig zu verlieren hat, hat mich frecher, freier gemacht. Vielleicht auch ein bisschen Narrenfreiheit geschenkt. Das sollte ich doch glatt ausnutzen.
Das Spiel unserer afghanischen Mannschaft wird immer besser
Die Jungs nehmen nun Fahrt auf. Das nächste Spiel gewinnen sie überragend. Beim Spiel darauf verlieren sie erst beim Elfmeterschießen.
Letztendlich werden sie dritter. Feiern tun sie dann allerdings, als hätten sie den Weltmeisterpokal persönlich in den Händen. Es wird gesungen, getanzt und unzählige Male in die Kamera geposted.
Fast jeder will dann noch ein Bild mit dem Pokal. So hübsche Jungs. Ich fotografiere sie gerne.
Ich freue mich für sie und feiere ausgiebig mit.
Nach dem gemeinsamen Aufräumen sammle ich die T-Shirts wieder ein.
Da kommt Ahmad auf mich zu. "Wir haben beschlossen, dass du den Pokal haben sollst." Oh! Damit habe ich nicht gerechnet. Momentan kann ich gar nichts sagen. Bin ergriffen. Als meine Emotionen wieder abklingen, bedanke ich mich für diese klasse Geste.
Mir tut das sehr gut, dass die Jungs mir diesen Pokal überlassen haben. Er steht seitdem bei uns im Esszimmer neben meinen dekorativen Schatzkisten, die ich mir zur Chemo zugelegt habe, um darin Karten und Aufmerksamkeiten von Freunden und Bekannten zu sammeln. Dieses Metallgebilde mit dem Fußball an der Spitze wird mich immer an diese erste Chemo-Woche mit dem glücklichen Ausgang erinnern.
PS.: Abends läuft dann noch das echte Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen Schweden. Die Deutschen schießen erst in den letzten Sekunden der Nachspielzeit das Siegestor zum 2:1. Da sie aber die beiden anderen Spiele der Vorrunde verlieren, kommen sie nicht einmal ins Achtelfinale.
Auch dieses Spiel gegen Schweden ist nicht sehr prickelnd. Selbst unser Hund Lina kann das irgendwann nicht mehr mit ansehen und dreht sich demonstrativ weg.
Da war nachmittags bei unseren afghanischen Fußballern schon mehr geboten.