Ein höllischer Schmerz! Wie aus heiterem Himmel. Nicht umsonst hat dieser Schmerz diesen bezeichnenden Namen. Aber ist es wirklich nur ein harmloser Hexenschuss, der irgendwann wieder vergeht?
Seit einer Woche spüre ich bereits die Schmerzen rechts im Lendenwirbelbereich. So ein Mist schon wieder. Jede Bewegung, nein auch bereits das Sitzen oder sogar das Liegen bereiten mir enorme Schmerzen. Ich rufe mal wieder meine Schwester Silvia in ihrer Funktion als Arzthelferin an. „Okay. Ein Schmerzmittel nehmen. Diese lassen die Entzündung abklingen." Ich werfe mir eine Ibuprofen ein. Tatsächlich! Was für eine Wohltat wieder ohne Schmerzen zu leben. Erst da merkt man, wie schön dieser Zustand ist und dass das anscheinend gar nicht selbstverständlich ist. Dazu fällt mir die Geschichte von dem Bauern und dem Ziegenbock ein:
Wir Menschen sind oft so gebaut, dass wir erst den Urzustand zu schätzen wissen, wenn wir irgendetwas Schlimmes dazubekommen. Und dann können wir es leider oft nur für kurze Zeit genießen, dass wieder alles beim Alten ist.

Auch mein Glück wehrt nicht lange. Kaum lässt die Wirkung der Schmerzmittel nach, sind die Beschwerden wieder da. Ich schleppe mich die Woche über so dahin. Tja, und als ich dann für unsere Hühner Futter aus einer blauen Tonne heraushole, gibt es mir einen weiteren furchtbaren Stich. Autsch! Oh, je! Jetzt ist es ganz aus. Gebückt schleiche ich mich vorsichtig zum Haus zurück. Mir ist jetzt klar, da muss ich langsam aktiver rangehen. Gut, dass ich morgen eh eine Blutbildkontrolle bei meinem Onkologen habe. Da werde ich das mit ansprechen.
Bedenken, dass es auch etwas Schlimmeres sein kann
Eine nicht ganz auszuschließende Prognose steht bei mir nämlich im Hinterkopf geparkt. Erst eine Woche vorher habe ich von einer Frau im Internet gelesen, bei der wochenlang ein „eingeklemmter Nerv" im Lendenwirbelbereich behandelt wurde. Erst später, als die Schmerzen einfach nicht nachlassen wollten, wurde festgestellt, dass sie am Beckenkamm Knochenmetastasen hatte. Große Angst habe ich zwar nicht. Aber ich weiß, ich muss das abklären lassen. Sonst wird mein Kopf nicht frei - zumal sich meine Schmerzen nun schon über zwei Wochen hinziehen.
Mein Onkologe sieht das genauso. Er möchte zwar am Ende meiner Chemo noch ein Abschluss-Staging machen, aber die Hüfte sollte man auf jeden Fall vorher schon einmal abklären lassen. Ich rufe selbst in verschiedenen Strahlenkliniken an, aber früher als in 2 bis 3 Monaten bekomme ich dort keinen Termin. So übernimmt die Anmeldung mein Onkologe persönlich.
Unter dem Begriff „Notfall" darf ich sofort kommen. Okay, sofort. Der Handyanruf meiner onkologischen Praxis erreicht mich in der Strahlenklinik in Ingolstadt: Ich könne nachmittags in einem Ärztehaus in Neumarkt ein MRT machen lassen.
Erste Nachsorge in der Strahlentherapie in Ingolstadt
Nun habe ich aber vormittags erst noch mein erstes Nachsorgegespräch in Ingolstadt. Dieses findet genau drei Monate nach Abschluss der Bestrahlung statt. Es ist aber nicht recht spektakulär. Der Strahlenarzt fragt mich nach meinem Befinden, schaut sich die Haut der bestrahlten Region an und tastet nach Lymphknoten. „Alles in Ordnung." Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Aber dies ist dennoch schön zu hören. Das Ganze dauert keine halbe Stunde. Die nächste „Untersuchung" ist erst wieder in einem Jahr. Dazu muss ich aber gar nicht mehr vorbeikommen, denn sie schicken mir dazu lediglich einen Fragebogen zu.
Nun freue ich mich, dass Elke mit mir noch einen Cappuccino trinken will. Seit sie mit mir ein Zimmer im Klinikum geteilt hat, als wir beide von Professor Aydeniz operiert wurden, haben wir uns schon öfters getroffen. Es ist schön, sich von Frau zu Frau über so manches Wehwehchen, aber auch schöne Dinge austauschen zu können.

Aber nun muss ich gleich durchstarten zum nächsten Termin. Dieser liegt nämlich genau in der entgegengesetzen Richtung von meinem Heimatort entfernt. Aber ich bin froh, dass dieser Termin nun zustande kommen konnte. Ich schleppe mich mit meinem schmerzenden Kreuz ja im Zeitlupentempo durch die Gegend.
MRT in Neumarkt
In der gut durchorganisierten Klinik in Neumarkt darf ich mich bald in einer Mini-Umkleidekabine ausziehen. Die Röhre, in der man für ca. 15 Minuten still liegen muss, kenne ich ja mittlerweile. Hier wurde auch bereits meine lädierte Schulter einmal durchleuchtet. Nach der Untersuchung habe ich auch gleich ein Gespräch mit einer sehr jungen Strahlenärztin. Sie klärt mich über alle möglichen Abnutzungserscheinungen im Lendenwirbelbereich auf. Ich höre nur selektiv mit. Schließlich Frage ich sie konkret: „Und mit Metastasen kann das Ganze nichts zu tun haben?" „Nein, da können Sie ganz beruhigt sein." Ich spüre nun doch eine gewisse Erleichterung. Auch wenn ich keine große Angst vor dem Ergebnis hatte. Das einzige, was ich laut der Ärztin noch abklären lassen könnte, ist eine Art Blutschwamm am Steißbein. Vielleicht sieht man auf älteren Aufnahmen, ob das schon länger existiert. Diese Diagnose beunruhigt mich aber gar nicht. Ich kann mich nämlich noch sehr gut an mehrere Stürze auf dieses werte Teil erinnern. Das könnte durchaus eine sichtbare Lädierung nachgezogen haben. Ich frage die Ärztin noch, was ich denn nun mit meinen Schmerzen im Lendenwirbelbereich machen soll. Doch darauf meint sie nur: Das müsse mein Arzt entscheiden. Darüber dürfe sie gar keine Auskunft geben.
Shoppen
Mit dieser guten Nachricht mache ich mich nun auf den Weg in die Stadt. Etwas gebückt und sehr langsam bewege ich mich von Geschäft zu Geschäft. Eigentlich wollte ich ja nur in einem Fachgeschäft für Gesundheitsartikel einen zweiten Prothesen-BH kaufen. Ich habe mir dazu extra ein Rezept ausstellen lassen. In Ingolstadt konnte ich ihn heute ja nicht besorgen, da ich dort ja dazu keine Zeit mehr hatte. Aus dem „mal kurz" wird nun aber ein langer Einkaufstag. Die leichte Bewegung im Gehen tut mir dabei sogar gut. Und mit den zwei Arztbesuchen ist für mich der Tag heute eh schon gelaufen. Und so stürze ich mich auf die Suche nach einem Sommerkleid und ergattere sogar zwei dieser wunderbaren Teile. Kleider ziehe ich momentan auch am liebsten an. Erstens hat man nur ein Teil, das man anziehen muss. Dadurch fällt das manchmal nervige Kombinieren weg. Zweitens sind Kleider im Sommer einfach luftiger und drittens zwickt da nichts. Denn meine Sommerhosen sind mir immer noch alle zu eng. 7kg sind es immer noch mehr durch die Chemo, die ich mit mir herumtrage.
Volleyball verhilft mal wieder zum Wohlbefinden
Aber durch Beachvolleyball und die Hitze schmelzen schließlich doch ein paar Kilos dahin. Und nicht nur diese, auch meine Schmerzen werden durch den Sport weniger. Bewegung und dadurch auch Wärme für die Muskeln ist nämlich das A und O bei Hexenschuss. So bin ich dankbar, dass die Schmerzen nun wieder endgültig ad acta gelegt sind. So habe ich nur noch meinen Arm als Problemfall, der mich mittlerweile durch Wassereinlagerungen quält. Aber die lieben Probleme mit den Lymphen sind dann wieder ein anderes Kapitel.

Die Tatsache aber, dass bei jedem außergewöhnlich Zwicken und Zwacken unweigerlich auch an den Krebs zu denken ist, wird mich wohl mein Leben hindurch weiterverfolgen. Ich muss das ja leider wohl auch immer in Erwägung ziehen. Es könnte ja auch wirklich einmal etwas Bösartiges sein. Doch dieses Mal war nichts. Und wie sich ein Hexenschuss tatsächlich anfühlt, das weiß ich jetzt hoffentlich für die Ewigkeit. Ich hoffe allerdings, dass ich dieses Wissen in nächster Zeit nicht mehr so schnell brauche.