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Ein Herz an meiner Seite

Aktualisiert: 23. Aug. 2021


Ich konnte erstaunlich gut schlafen. Das handgefertigte Herzkissen ist eine klasse Stütze. Mir war es dadurch sogar möglich gerade mal einen Tag nach der Operation bereits auf dem Bauch zu schlafen. Die einzige Lage, in der ich ein Auge zubekomme. Da bin ich schon einmal sehr dankbar dafür.


Das Herz wurde von den Frauen des Inner Weel Clubs Ingolstadt hergestellt. Über 1500 Herzkissen haben die rührigen Frauen bereits für die Patientinnen des Klinikums in ihrer Freizeit genäht und an Professor Aydeniz übergeben. Elke, meine Zimmernachbarin, und ich freuen uns riesig über das liebevolle Geschenk. Als wir von unseren Voruntersuchungen zurückkamen, lagen die farbenfrohen Herzen einfach auf unserem Bett. Wir wussten ursprünglich noch gar nicht, was man damit machen kann. Eine Krankenschwester klärt uns darüber auf, wie wir es verwenden können. Es ist nämlich nicht nur eine hübsche Deko, sondern hilft tatsächlich bequemer zu liegen. Das Herz wurde so genäht, dass man es unter den Arm der operierten Brust schieben kann. Diese wird dadurch entlastet. Ich habe dieses neue Hilfsmittel ❤ sofort in mein Herz geschlossen 😍.



Ein Herz sagt mehr als tausend Worte. Uns Patientinnen tut es in zweifacher Hinsicht gut.

Nach dem Frühstück kommt die Visite und mit ihr Professor Aydeniz. Er sagt in seiner beruhigenden und aufmunternden Art, er sei sehr zufrieden mit der Operation. Er habe den Tumor laut Schnellschnitt komplett entfernen können. Der Brustmuskel wurde dabei nicht verletzt. Ja, leider war einer von den beiden Wächterlymphknoten von den Krebszellen bereits befallen. Davon war auszugehen bei der Größe des Tumors. Man wertet dies auch nicht als Metastase. Allerdings musste er daraufhin noch weitere Lymphknoten entfernen. Genauere Ergebnisse dazu zeigen aber erst die histologischen Untersuchungen des Amputats. Diese sind in ein paar Tagen da. Vielleicht brauche ich noch einmal eine Chemo.

Ich höre mir das alles an. Fragen dazu fallen mir im Moment gar keine ein. Irgendwie bin ich immer noch etwas platt von der Operation.


Erst später wird mir bewusst, dass es ein großes Glück ist, dass der Professor den Tumor als Ganzes entfernen konnte. Ich kenne mittlerweile einige Frauen, die noch einmal nachoperiert werden mussten. Bei ihnen blieb ein Rest-Tumor in der Brust. Dies kann man erst genau diagnostizieren, wenn die Ränder des herausgeschnittenen Knotens im Labor untersucht werden. Um den Tumor herum muss überall ein gesundes Gewebe bleiben. Er darf nirgends angeschnitten sein. Bei mir war der Resektionsrand nach hinten zum Brustmuskel weniger als 1mm. Also sehr knapp. Aber selbst das gilt als frei von Krebs. Es muss nicht nachgeschnitten werden. Glücklich bin ich auch darüber, dass mein Brustmuskel noch nicht befallen ist. Muskeln sind für mich als Sportlerin schon ein bisschen etwas besonderes. Daher bin ich sehr froh, dass wenigstens diese unbeschadet blieben.


Weitere Kontrolluntersuchungen auf Metastasen


Als Kontrolle, wieweit der aktive Tumor in der letzten Zeit doch noch Blödsinn angestellt hat, bekomme ich in den nächsten Tagen noch einmal ein CT und auch ein Knochenszintigramm. Das finde ich echt super. Ein Assistenzarzt sagt mir dazu, dass dies der Professor so wünsche. Es sei gar nicht Pflicht für eine Klinik, diese Mehrkosten zu übernehmen. Aber Professor Aydeniz sei diese Klarheit über den Gesundheitszustand für seine Patientinnen wichtig.


Zunächst überlegt der Stationsarzt noch, ob eventuell eine Röntgenaufnahme von den Organen reiche. Dies sei mit weniger Strahlenbelastung verbunden. Er schaut sich dazu die Aufnahmen der Untersuchung vor Beginn meiner Chemo am 13.6.2018 an. Dabei findet er, dass in der Leber eine Art Zyste mit einer Größe von 10 mm gefunden wurde. Diese wurde damals zwar noch nicht als Metastase gewertet. Aber er möchte das auf jeden Fall über ein weiteres CT überprüfen lassen. Mir ist das recht. Ich will möglichst schnell wissen, ob meine Organe noch metastasenfrei sind. Das wäre für mich auf jeden Fall eine große Beruhigung.


Untersuchung der Organe im CT


Am Donnerstagmorgen, zwei Tage nach der OP, muss ich nüchtern bleiben und einen Liter von einer eigenartigen Flüssigkeit trinken. Mit meinen drei Redonflaschen werde ich im Rollstuhl zum CT gebracht. Ich mag das gar nicht, im Rollstuhl gefahren werden. Sofort fühle ich mich sehr zerbrechlich und um Jahre gealtert.


Während ich auf der Liege im CT liege, wird mir eine Chemikalie gespritzt. Ich spüre, wie das Kontrastmittel warm durch den Arm in den Oberkörper und von da in die Beine fließt. Ein ganz eigenartiges Gefühl. Die Untersuchung dauert - abgesehen von der Wartezeit - nicht lange. Der Arzt meint, er schicke den Arztbericht im Anschluss gleich auf die Station.


Meine Zimmerkollegin Elke war auch schon im CT. Ihr wurde bereits mitgeteilt, dass ihr Ergebnis negativ sei. Das heißt keine Metastasen.


Ich frage die Ärztin der Abendvisite, was denn bei meinem CT herausgekommen sei. Sie meint dazu nur: Sie habe noch keine Zeit gehabt nachzuschauen, da sie alleine auf der Station sei.


Ein sofortiges Ergebnis beim Knochenszintigramm


Auch am nächsten Morgen kann mir noch keiner etwas zum Ergebnis der CT-Untersuchung sagen. Ich mache darauf aufmerksam, dass ich schon sehr daran interessiert sei, dies möglichst bald zu erfahren.


Doch nun ist erst das Knochenszintigramm an der Reihe. Ich mache mich dieses Mal alleine und vor allem zu Fuß auf den Weg. Ich fühle mich schon sicher genug. Lediglich meine drei Redonflaschen verstecke ich in einer Stofftasche. Sie befördern blutiges Wundsekret aus dem Operationsbereich. Schaut ja schon ein wenig gruselig aus, damit durch die Gänge zu laufen.



Auf der Liege beim Knochenszintigramm. Diese wird langsam in die Röhre geschoben.

Dieses Mal wird mir eine radioaktiv markierte Substanz gespritzt, ein sogenanntes Radiopharmakon. Der Mitarbeiter meint wiederum nach der Untersuchung, er schicke das Ergebnis nach der Auswertung gleich auf die Station. Dieses Mal interveniere ich aber. Ich bitte, dass ich sofort Bescheid bekomme, wie es um mich steht. Ich brauche für meine Psyche endlich ein positives Ergebnis, sonst drehe ich langsam am Rad. So darf ich gleich im Anschluss in das Sprechzimmer des mir bereits gut bekannten Radiologen. Während ich ihm gegenübersitze, lädt er meine Daten hoch und schaut sich die einzelnen Aufnahmen stillschweigend an. Ich versuche dabei ruhig zu bleiben. Schließlich blickt er auf mich. Er sieht eine Nukleareinlagerung an einer Rippe und am Knöchel. „Ja, das kenne ich bereits vom letzten Mal. Das ist von einem alten Bruch, bzw. von meiner Arthrose", entgegne ich ihm. „Ist sonst noch etwas?", frage ich besorgt. „Nein!", meint der Arzt zurück. „Das heißt, ich habe keine Metastasen?" „Richtig! Zumindest momentan nichts Sichtbares", bestätigt er. Puh! Das ist jetzt Balsam auf mein Gemüt. Ich könnte den Arzt umarmen. Ich weiß nämlich mittlerweile, dass Knochenmetastasen oft durch Brustkrebs ausgelöst werden. Ich habe sogar eine Freundin, bei dieser wurden vor kurzem über Rückenbeschwerden Metastasen in der Wirbelsäule festgestellt. Erst danach wurde der Verursacher, ein Brustkrebs diagnostiziert. Als ich vor einem halben Jahr das allererste Mal im Knochenszintigramm war, ging ich noch ganz naiv in die Untersuchung. Ich konnte mir damals noch gar nicht vorstellen, dass Brustkrebs in die Knochen abwandern kann.


Total glücklich komme ich wieder in meinem Zimmer an. Sofort schicke ich das gute Ergebnis an meine Familie, Freunde und Bekannte per WhatsApp raus. Viele hatten bereits nachgefragt, wie es mir denn gehe. Nun kann ich ihnen endlich schreiben. Ich hasse es nämlich, Leute mit meinen negativen Nachrichten zu belasten. Daher wollte ich auf irgendetwas Positives warten. So kann ich jetzt schreiben: „Die OP ist planmäßig verlaufen. Der komplette Tumor wurde entfernt. Leider waren auch ein paar Lymphknoten befallen. Aber in meinen Knochen sind keine Metastasen." Das klingt doch schon einmal positiver.


Ergebnis der histologischen Untersuchung


Aber es sollte noch besser werden: Am Samstag bei der Morgenvisite sagte Professor Aydeniz, dass jetzt das Untersuchungsergebnis aus der Histologie da sei. Der Tumor wurde tatsächlich als Ganzes entfernt. Es bedarf definitiv keiner weiteren Operation mehr. Das Tumorbett war allerdings größer als 6cm. Innerlich war der diffuse Knoten etwas fibrös. Das heißt die Chemo habe ihm schon etwas zugesetzt. Aber er war eben immer noch vital. Wie weiter verfahren wird, entscheidet sich in der Tumorkonferenz in ca. 2 Wochen. Jetzt soll ich mich erst einmal erholen.


Er möchte nur noch einen Blick auf die Wunde werfen. Ich ehrlich gesagt auch. So werde ich nun ausgepackt. Der Professor ist mit seinem Ergebnis zufrieden. Ich eigentlich auch. Die Narbe ist problemlos verheilt. Lediglich einen „Schnörpfel" unter dem Arm finde ich hässlich. Er erinnert mich an ein Pressackende. Der Professor hatte mich zwar im Erstgespräch bereits vorgewarnt: Wenn ich meinen Arm locker nach oben strecken will, sei dieser Hauterhebung notwendig. Ich bin mir da nicht ganz sicher, ob das wirklich so ist. Ich habe das Gefühl, meine Mama als Schneiderin hätte das optisch schöner hingekriegt. Aber jetzt lass ich das mal so stehen. Vielleicht schwillt das Ganze ja mit der Zeit noch etwas ab.


Das Ergebnis des CTs kommt schließlich auch noch


Mittlerweile ist es Abends geworden. Ich bin versöhnt mit meinen jetzt doch positiveren Ergebnissen und denke mir gerade: Jetzt will ich das Ergebnis von dem CT vor Weihnachten gar nicht mehr wissen. Vielleicht sagen sie mir das auch deswegen so lange nicht, weil doch irgendetwas unklar ist oder sogar etwas gefunden wurde. Mir geht es gerade psychisch nach dem Tief wieder recht gut. Ein negatives Ergebnis würde mir jetzt bloß noch das Weihnachtsfest verderben.


Da schneit ziemlich spät noch eine Ärztin herein. Sie sei total im Verzug mit der Abendvisite. Aufgrund der anstehenden Feiertage seien sie auf der Station etwas unterbesetzt. Wie es mir denn gehe? Ich sage: "Sehr gut. Ich nehme ja bereits seit dem zweiten Tag keine Schmerzmittel mehr, da mir nichts weh tue. Bei mir passt im Moment alles soweit." Kurz bevor sie rausgeht, meint sie noch: „Ach ja, hat Ihnen denn nun schon jemand das Ergebnis vom CT mitgeteilt?" Ich meine: „Äh, eigentlich nicht." „Ich habe es mir mittlerweile angeschaut. Es wurde nichts Auffälliges gefunden. Das heißt: Ihre Organe sind momentan metastasenfrei."


Hui! Das ist jetzt noch einmal eine gute Nachricht.

Weihnachten kann jetzt wirklich kommen!


Glücklich und zufrieden kuschel ich mich nun an mein Herzkissen.


Schon interessant, wie nah Glück und Unglück zusammenliegen können. Manchmal ist es auch relativ, eben von was man ausgeht, bzw. mit was man seine Lage vergleicht. Ich bin trotz meiner negativen Prognose am Anfang der Woche nun wieder etwas zufriedener. Klar könnte manches besser sein, aber natürlich auch schlechter. Die erfreulichen Ergebnisse zuletzt haben die negative Botschaft zwar nicht weggezaubert, aber zumindest wieder etwas abgemindert. Es wird weiterhin so sein: Es kommt darauf an, wie ich mit den neuen Gegebenheiten umgehe. Ich habe vor, diese wiederum zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Jammern bringt mich schließlich auch nicht weiter.


Und so bette ich mir mein blaues Herzkissen unter den Arm und freue mich auf eine lange Lesenacht.





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