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Halb leer, halb voll?

Aktualisiert: 18. Okt. 2019

Wie ist mein Glas nun gefüllt? Ich bin ein Mensch, der eher auf das blickt, was ich noch habe. Ich schaue gerne an dem vorbei, was negativ ist. Optimisten nennt man diese Personengruppe. Und dennoch will ich auch Realistin bleiben. Anschauen, was ich durch die Krebserkrankung tatsächlich verloren habe.


Nicht unbedingt für Außenstehende sichtbar, aber Tatsache ist: Ich habe ein Körperteil weniger. Auch wenn ich optisch damit eigentlich keinerlei Probleme habe: Es fehlt mir definitiv die linke Brust. Einfacher war es mit. Nun muss ich halt immer schauen, dass ich eine Prothese oder irgendetwas ähnliches trage. Alleine das Besorgen dieses Teils ist gar nicht so ohne. Jede Brust ist doch sehr verschieden. Eine Symmetrische zur anderen Seite zu finden, war in meinem Sanitärgeschäft dann auch gar nicht so einfach. Von außen sieht man allerdings keinerlei Unterschiede. Ich selbst vergesse das sogar während des Tages. Und auch wenn ich durch den Pullover die Prothese berühre, habe ich das Gefühl, meine Brust sei noch da. Das fühlt sich echt identisch an.


Immer wieder die nervigen Probleme mit der Lymphflüssigkeit


Nerviger ist da schon die Sache mit dem Wasser in der Brust. Das spannt einfach immer wieder. Manchmal fühlt es sich steinhart an. Dann versuche ich über Ausstreichen das Wasser über das Brustbein auf die andere Seite zu schieben. Zudem zieht immer wieder mein Arm. Das kann von der Sehne des Brustmuskels kommen. Ich kann sie manchmal richtig spüren. Vor allem an heißen Tagen im Sommer habe ich allerdings auch das Gefühl, dass sich Wasser im Oberarm eingelagert hat.


Spaßeshalber erzähle ich immer, dass ich jetzt über eineinhalb Jahre nicht mehr krank war. Ich war tatsächlich die ganze Chemo durch immer gesund 😂. Nun habe ich mir aber eine Erkältung zugezogen. Und schwupps tut mein Arm gleich verstärkt weh. Keine Ahnung ob das vielleicht auch von den Lymphknoten her kommt, weil die durch den Schnupfen vielleicht mehr arbeiten müssen und weniger Wasser abtransportieren können?


Manche Frauen haben trotz Entfernung von sehr vielen Lymphknoten gar keine Probleme. Andere haben aber auch einen total dicken Arm dadurch bekommen. Sie müssen wöchentlich zur Lymphdrainage. Ich mache das ja momentan auch, zumindest ab und zu. Die Lymphdrainage selbst ist ja eigentlich sehr angenehm. Es ist wie Massage und tut echt gut. Dennoch hoffe ich immer noch, dass ich darauf irgendwann ganz verzichten kann und vor allem den blöden Kompressionsstrumpf nicht brauche. Aber wohl oder übel werde ich auch das ertragen.


Ein Leben ohne Sauna?


Sauna! Ich liebe sie. Ich mag Hitze in jeglicher Form. Eigentlich ist sie Tabu für mich. Denn durch Hitze kann sich ein Lymphödem noch verstärken. Momentan habe ich die Sauna noch nicht vermisst. Der Sommer war ja gigantisch heiß und die Hitzewallungen halten mich von innen her schön warm. Aber wenn es irgendwann so richtig kalt wird ... Unversucht lasse ich das Thema Sauna jedoch noch nicht. Probieren geht über studieren. Schauen wir mal, wie sich mein momentan größtes Problem mit den Lymphen über die Jahre weiterentwickeln wird.


Meine Neuropathien in den Füßen und meine Kniebeschwerden


Während der Chemo und auch noch lange danach bin ich jeden Morgen seitlich die Treppe hinuntergegangen. Meine Füße ließen sich nicht abknicken. Sobald ich in die Hocke ging, kam ich nicht mehr alleine hoch. Diese Beschwerden gehen nun langsam mehr und mehr zurück. Aber nach stärkerer Belastung merke ich sie schon noch deutlich. Das hätte ich gerne wieder los. Ich denke aber, damit kann ich leben. Es war auf jeden Fall schon einmal ein Einblick ins Altwerden. Man sagt ja: Chemo lässt einen um Jahre altern.


Stimmungsschwankungen durch die Wechseljahre?


Beschwerden wie Hitzewallungen und ein zusätzlicher Ring um die Hüfte wären vermutlich eh durch die Wechseljahre gekommen. Auch meine Stimmung ist nicht mehr ganz so hell. Ich kann aber noch nicht hundertprozentig sagen, ob das nun auch Wechseljahresbeschwerden sind, von dem täglichen Hormonblocker Tamoxifen kommt oder vielleicht doch von der einschneidenden Lebenserfahrung. Tatsache ist, dass ich momentan nicht mehr so unbeschwert und locker bin. Negative Ereignisse können mich nun ganz schön runterziehen. Aber wie gesagt: Ob das vielleicht auch nur im Moment eine Phase ist, kann ich noch gar nicht sagen. Ich werde mich da wohl noch weiter beobachten. Letztendlich müsste ich dann eben noch stärker darauf achten, dass ich mich mit Schönem umgebe und Negatives meide.


Regelmäßige Kontrollen


Nervig ist natürlich auch, dass ich immer wieder zu den Vorsorgen muss. Ich habe auch vor meiner Erkrankung noch nie diszipliniert Ärzte aufgesucht. Dachte immer, da ist eh nichts. Ich will meine Zeit für sinnvolleres nutzen. Nun muss ich alle viertel Jahr zum Frauenarzt zur Nachsorge gehen. Mir ist bewusst, mein Krebs kann durchaus gestreut haben. Da ja der Tumor schon sehr groß war, die Chemo nicht richtig gewirkt hat und auch meine Lymphe befallen waren, ist meine Ausgangslage nicht total prickelnd. Viele Frauen aus dem Forum haben Rezidive bekommen und das oft bereits schon nach kurzer Zeit. Das ist nun einmal eine Tatsache. Und das ist ganz offen gesagt: Echt Schei ...! Vermutlich ist das der größte Nachteil: Einmal Krebs und du kannst ihn immer wieder bekommen. Ist halt so.


Wie leistungsfähig bin ich eigentlich noch?


Während meiner Bestrahlungszeit suchte ich ein paar Mal eine Psychoonkologin auf. Nicht weil ich ein großes Problem hatte. Ich war eher ein bisschen neugierig darauf, was sich durch solche Gespräche ergibt. Die sehr einfühlsame Psychologin erzählte mir, dass nach ihrer Erfahrung sehr viele Frauen nach der Chemo bei Weitem nicht mehr so leistungsfähig seien. Einige litten auch unter dem sogenannten Fatigue- oder Erschöpfungssyndrom. Dies ist eine permanente Müdigkeit. Okay, wenn es nachdem ging, dann könnte ich das vielleicht auch schon vor der Chemo gehabt haben 😁. Ich denke meine Müdigkeit ist nicht schlimmer geworden. Ob meine Leistungsfähigkeit abgenommen hat, kann ich noch nicht ganz einschätzen. Ein Jahr Auszeit, in der man nichts tun musste, wirft einen natürlich zurück. Sowohl der Kopf wie auch die Muskulatur hatten einfach Urlaub. Zudem werde ich älter. Und ich höre auch von vielen gesunden Frauen, dass sie mit dem Alter langsamer werden. Die größere Frage wird eher werden: Was will ich noch tun? Welchen Stress will ich mir noch antun. Ich möchte auf jeden Fall soviel Stress für mich, dass ich wach bleibe und nicht total träge werde. Mir tut es wieder sehr gut, dass ich regelmäßig in die Arbeit gehe. Klare Strukturen helfen mir. Ich bekomme wieder meine Erfolgserlebnisse. Und dann gibt es ja auch in meiner Arbeit den leckeren Bio-Cappuccino. Aber jetzt bin ich ja schon wieder zu sehr beim Positiven gelandet.


Ja, ich sehe immer noch auf ein gut gefülltes Glas. Ich verstehe aber auch, dass andere Frauen aus dem Forum mit Krebs nicht mehr alles so positiv sehen können wie ich. Viele haben massive Einschränkungen. Einige sind arbeitsunfähig, können ihren Hobbies wie Reisen oder Sport machen nicht mehr nachgehen. Bei jemandem ist auch die Familie durch die Erkrankung entzweit ... Klar, je mehr das bisherige Leben durch die Krankheit beschnitten wird, um so härter ist das Ganze zu ertragen. Vielleicht bin ich ja noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen.


Ein blaues Auge vergeht "Gott sei Dank" wieder spurlos! Zumindest ist von diesem Veilchen aus dem Jahre 2011 nichts mehr übrig.


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