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Das Leben kann wie ein Krimi sein

Aktualisiert: 23. Aug. 2021

Manche Menschen sehen sich gerne Krimis an. Mein Fall war das eher noch nie. Ich mag diese Spannung, die oft vor einem Mord herrscht, überhaupt nicht. Ich fiebere da viel zu emotional mit. Zudem kann ich bei brutalen Szenen nicht hinschauen. Und jetzt fühle ich mich so, als ob ich in so einem Krimi live mitspielen würde. Aber hoffentlich gibt es dabei am Ende keinen Toten.



Allerheiligen 2019 auf dem Biberbacher Friedhof! In der Hoffnung, dass es dort noch sehr lange keinen Grabstein mit dem Namen Dütsch geben wird.


Mein zweiter Nachsorgetermin beim Frauenarzt


Morgen, 4. November 2019, ist wieder Nachsorgetermin. Ich bekomme auf eigenen Wunsch zum ersten Mal seit meiner Diagnose im Mai 2018 wieder eine Mammografie der gesunden Brust. Zudem werde ich beim Frauenarzt auf vielleicht inzwischen gewachsene Metastasen hin untersucht. Eigentlich schaffe ich es, mich über den Verstand ruhig zu halten. Denn es ändert sich ja nichts am Ergebnis, wenn ich mich vorher stresse. Dennoch ist eine gewisse Anspannung da. Dieses Mal sogar noch ein bisschen mehr. Ich darf nämlich eine Woche später einen Vortrag beim Krankenpflegeverein in Beilngries halten. Ich werde dort anhand meiner vielen Bilder über meine Krankheitsgeschichte berichten. Dabei ist diese nur stellvertretend für unzählige andere Krankheitsgeschichten, die Mann oder Frau im Leben so heimsuchen. Irgendwann trifft ja schließlich wirklich fast jeden Krankheit - natürlich mehr oder weniger intensiv. Ich möchte dabei vor allem Mut machen, dass man mit Krankheit auch noch ein lebenswertes Leben führen kann und ein Lächeln dabei nicht verloren gehen muss.



Ein Lächeln bleibt? Ein ganz aktuelles Foto.


Das Ganze wäre nun natürlich einfacher zu vermitteln, wenn ich jetzt nicht unbedingt kurz vor dem Vortragstermin noch einmal die Nachricht von einem Rezidiv bekäme. Das würde alles auch etwas komplizierter machen. Ich müsste mir dann echt Gedanken darüber machen, ob ich das an dem Abend dann überhaupt sagen sollte. Zumal da ja auch die Presse dabei ist und ich nicht unbedingt möchte, dass meine Bekannten diese schreckliche Nachricht über dieses Medium erhalten.


Angst und schlaflose Nächte vor den Nachsorge-Untersuchungen kennen die meisten Menschen, die schon einmal Krebs hatten. Denn natürlich werden Rezidive vor allem bei solchen Untersuchungen festgestellt. Die Frauen aus dem Krebsforum berichten, dass ihre Ängste gerade dann besonders schlimm sind, wenn sie vorher bereits ein Zwicken oder Zwacken gespürt haben. Ab einem gewissen Alter zwickt es und zwackt es aber ja auch schon, wenn man eigentlich nichts hat. Manchmal beschleicht einen aber auch nur ein ungutes Gefühl, das noch nichts sagen muss. Vor allem, wenn man kurz vorher von einem anderen Rezidiv gelesen hat. Dies kann dann von Tag zu Tag schlimmer werden, je näher der Untersuchungstermin kommt.


Wie kann man die Angst vor der Untersuchung bekämpfen?


Gibt es dazu vielleicht Geheimtipps, wie man diese Ängste vermeiden kann? Ich denke, Ablenkung ist das wirksamste Mittel. Dinge machen, die einen hindern an den Termin zu denken.


Gerade im Moment ist bei mir sehr viel los. Eigentlich fast schon wieder zu viel. Tausend Gedanken um die Arbeit oder im Umgang mit den Geflüchteten nehmen mich so gefangen, dass ich momentan echt gar keine Zeit zum Nachdenken über mein eigenes Schicksal habe. Vielleicht auch ganz gut so. Solange die Balance nicht wieder kippt und ich dabei meinen Nachsorgetermin ganz vergesse 😉.


Für mich persönlich ist es eine große Hilfe, gelassen zu bleiben - dass ich bereit bin, beide Varianten anzunehmen: Ein negatives wie auch ein positives Ergebnis. Ich kann es ja eh nicht ändern. Egal wie es kommt. Natürlich ist mir ein o. B. ein "ohne Besonderheiten" lieber. Aber wenn doch etwas zurückkommen sollte, dann muss ich damit leben. Letztendlich bleibt mir ja nichts anderes übrig.


Von einem Rückfall zu erfahren, ist natürlich wie der Erstbefund erst einmal wieder ein schrecklicher Schlag. Das Rezidiv tritt oft als Metastase im Knochen oder auch in einem Organ wie Gehirn, Leber oder Lunge auf. Ich habe auch von Frauen gelesen, die bereits innerhalb eines halben Jahres nach Chemo-Ende wieder befallene Lymphknoten oder gar eine Wucherung am Narbengewebe hatten. Das Nervige an dem Ganzen ist, dass man dann bei der Behandlung den Begriff "palliativ" und nicht mehr "kurativ" (auf Heilung ausgerichtet) verwendet. Das bedeutet so viel wie: Man wird nie mehr ganz gesund. Das klingt jetzt furchtbar hart. Manchmal ist es aber leider so. Man muss dann oft ein Leben lang den Krebs mit Medikamenten bekämpfen, damit er nicht weiter wächst. Manche Menschen haben aber auch da Glück und haben erneut eine Komplettremission. Das heißt, das Rezidiv verschwindet durch eine Operation oder eine erneute Chemo wieder vollständig. Manchmal wird aber lediglich ein weiteres Wachstum gestoppt.


Ein Rezidiv ist daher keinesfalls sofort das Todesurteil, so wie eine Krebsdiagnose das auch nicht ist. Viele Frauen leben oft noch ganz komfortabel viele Jahre nach so einer lebensbedrohenden Krankheit.


Im Forum teilen immer wieder Frauen mit, wann ihre nächste Untersuchung ins Hause steht. Dann schreiben viele, dass sie dafür die Daumen drücken. Fällt das Ergebnis positiv aus, gibt es unzählige Freudensbekundungen und Glückwünsche dazu. Ich freue mich auch immer riesig, wenn eine Frau berichtet, dass trotz ihrer Befürchtungen bei der Nachsorge nichts auffälliges gefunden wurde. Gibt es uns doch allen Hoffnung, dass Heilung wirklich möglich ist.


Soll man die Anspannung mit anderen teilen?


Ich bin da etwas hin- und hergerissen. Schon einmal stand ich vor der Frage. Ich habe meine Blogbeiträge ja immer erst zwei bis drei Monate nach dem speziellen Ereignis veröffentlicht. Ich hatte nämlich erst später zum Aufschreiben begonnen und bin auf Grund der vielen Ereignisse einfach mit dem Bloggen nie hinterhergekommen. Als ich zur Adventszeit 2018 vor der Operation stand, hatte ich mir dann aber überlegt, in die zeitgleiche Berichterstattung zu switchen. Ich hatte den Beitrag sogar schon fertig, bevor ich ins Krankenhaus ging. Aber ehrlich gesagt, fand ich diesen dann schon für mich zu heftig.


Leben kann nämlich echt wie ein Krimi sein. In meinem Fall war es ja so, dass bei der Operation festgestellt wurde, wie schlimm es um einen steht. Da ja mein dummer Krebs gefühlt nicht kleiner wurde, hatte ich keine Ahnung, was er während des halben Jahr Chemo sonst noch alles bei mir angestellt hatte. Letztendlich war er ja dann sogar mit 6cm größer als erwartet. Zudem wurde festgestellt, dass auch die Lymphe bereits befallen waren. Ein Lymphknoten hatte sogar einen Kapseldurchbruch, wodurch böse Zellen ins Gewebe gelangen können.



Frisch vom Op wollte ich sofort wissen, ob meine Lymphknoten entfernt wurden. Daher machte ich dieses Selfi. Auf diesem Bild konnte ich das allerdings nicht genau erkennen.


Am Abend der Operation teilte mir eine Ärztin etwas unsensibel mit, dass meine Lymphe nun tatsächlich betroffen seien. Da kam ich mir echt so vor, als ob ich ans Bett gefesselt gerade mein Todesurteil erhalten hätte.


Dies alles im Live-Bericht anderen mitzuteilen, hätte ich nicht übers Herz gebracht.


Geteiltes Leid ist zwar halbes Leid. Ich für mich wäge aber gerne bewusst ab, wem ich das Ganze zumuten kann oder will. Meiner zartbesaiteten Schwiegermutter z.B. habe ich auf jeden Fall von meinem morgigen Nachsorgetermin lieber nichts erzählt. Sie würde sich sonst nur ewig Sorgen machen. Das möchte ich ihr in ihrem hohen Alter einfach ersparen.


Prinzipiell steht aber auch nichts dagegen, wenn man psychologische Hilfestellung zur Bewältigung der eigenen Ängste sucht und seinen Bekannten das mitteilt.


Die Reaktion ist in der Regel ja auch: „Hab keine Angst, du hast sicher nichts." Oder: „In den überwiegenden Fällen wird doch da gar nichts gefunden." Jemand sagte klar: „Die meisten Frauen werden doch nach Brustkrebs geheilt." Eine Frau schrieb mir auch: "Du warst/bist ins Gebet genommen, ich denke an Dich und wünsche Dir die beste aller möglichen Nachrichten!!" Solche Kommentare noch einmal direkt zu hören, können einen natürlich beruhigen. Warum sich also nicht vor anderen öffnen?


Unzählig viele Menschen leben und sterben in unvorstellbarem Leid


Das Leben als Krimi, habe ich diesen Beitrag genannt. Ich widme diesen Beitrag dabei allen, die immer wieder oder auch permanent ein lebensbedrohendes Leid erleben müssen. Da ist meine Lebensgeschichte vielleicht fast eine Komödie dagegen. Mit vielen dieser Menschen möchte ich nicht tauschen wollen. Ich denke da unter anderem auch an die Geflüchteten: An ihre tagtägliche Angst, dass die Polizei vor ihrer Tür steht und sie abholt, um sie zurück ins Kriegsgebiet zu schicken. Egal, ob sie sich bereits integriert haben, arbeiten und sich nichts zu schulden kommen haben lassen. Sie zucken bei jedem Polizeiauto, das an ihnen vorbeifährt zusammen oder sie übernachten sogar außer Haus, wenn der Termin für einen Abschiebeflieger in ihr Heimatland bekannt wird. Unzähliges Leid gibt es auf der ganzen Welt, sei es durch Krieg, Gewalt, Krankheit, Armut und Hunger. Brutal und grausam kann Leben sein. Menschen können sich aber auch ohne körperliche Bedrohung rein emotional wie in einem Gefängnis fühlen - von Mitmenschen und dem Schicksal betrogen. Manche sind es vielleicht auch wirklich. Ich möchte bei dem ganzen Leid auf dieser Welt nicht immer nur wegschauen. Möchte zumindest manchmal versuchen, einen Tropfen auf den sogenannten heißen Stein zu schenken. Ein paar Lichtstrahlen in so manches dunkle Kino bringen. Das ist für mich wertvoller, als mich durch einen fiktiven Krimi im Fernsehen rein virtuell zu stressen.


Auf gar keinen Fall will ich aber dabei die Menschen kritisieren, die diese sicherlich auch oft sehr guten Filme anschauen. Manchmal kann man echt daraus etwas für das eigene Leben gewinnen oder eben einfach nur abschalten und entspannen. Vielleicht kann man sich ja auch dadurch von seinen aktuellen Problemen und Ängsten ablenken - so wie das eben Nachsorgeuntersuchungen mit sich bringen können. Wir Menschen sind eben kunterbunt in dem, was wir brauchen und was uns auch gut tut.


Mein Live-Krimi für euch - brandaktuell nur heute!


Und nun mute ich euch liebe aktuellen Leser, meinen Live-Krimi zu. Zumindest bis ich euch vom Ergebnis meiner Untersuchung schreibe. Ich hoffe ihr haltet diese Spannung aus. Ich verspreche euch aber: Ich mache das nicht immer so! Aber es passt halt gerade so schön zum Thema ...



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