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Abgrillen

Aktualisiert: 23. Aug. 2021

Abgrillen bezeichnen die Frauen in einem Internetforum das Ende der Bestrahlungszeit. Jeder, der die Bestrahlung geschafft hat, wird mit Glückwünschen überhäuft: „Gratulation zum Abgrillen! Lass die Sektkorken knallen!", "Der Berg ist bezwungen. Nimm dir viel Zeit für den Abstieg und komm gestärkt im Alltag an!", "Genieße nun wieder deine freie Zeiteinteilung!"


Bei den meisten Frauen ist das Ende der Bestrahlung meist auch mit dem Ende der Behandlungszeit verbunden. In der Regel folgt danach - wenn gewünscht - die Anschlussheilbehandlung. Viele Frauen schreiben auch ganz optimistisch, mit diesem Abschluss sei nun auch das Thema Krebs für sie ein für alle Mal erledigt. Ich wünsche es ihnen allen von Herzen.


Abschlussgespräch


Die 6 Wochen Bestrahlung sind in Windeseile verflogen.


Ja und heute, 15. März 2019, ist nun der letzte Termin. Gestern hatte ich bereits das Abschlussgespräch mit einer Strahlenärztin.


Hautrötungen


Mittlerweile bin ich unter der Achsel, am Schulterblatt und vor allem am Schlüsselbein knallrot. Ich hatte das von mir nicht erwartet. Als Sonnenanbeterin bin ich doch so einige Strahlung gewohnt. Gut, dass es noch fast Winter ist. Man soll sich nämlich während der Bestrahlungszeit keiner zusätzlichen Sonnenbestrahlung aussetzen. Ok, ich gebe zu: Einmal wurde ich bei den ersten Frühlingsstrahlen schwach und ich setzte mich ungeschützt in den Garten. Anschließend war meine Haut von der Sonne leicht gerötet. Das war nicht so klug von mir und ich wurde tatsächlich von den Strahlentherapeuten daraufhin angesprochen. Aber ich brauchte diese Sonnenstrahlen auf meiner Haut eher für meine Psyche. Sommer, Sonne, frische Luft: Das ist für mich Lebenselixier. Gut, dass das Wetter zum Zeitpunkt meiner Bestrahlungen eher noch nicht so heiß ist und ich nicht weiter in Versuchung geführt werde.


Aber auch andere Frauen haben mit Hautrötungen oder sogar Blasenbildung Probleme. Eine Frau im Internetforum beschreibt das ganz nett mit: „Ich bin so rot als hätte ich mit nem Bügeleisen gekuschelt."





Auch bei mir ist die Haut nun stark gerötet und brennt ganz leicht. Beim Schlüsselbein ist die Haut sogar leicht offen. Dort wurde anscheinend besonders stark bestrahlt. Denn darunter befinden sich die Lymphknoten des Levels 3. Dort laufen sehr wichtige Nerven vorbei - und um diese nicht zu verletzen wurden diese Lymphknoten nicht entnommen. Daher weiß man auch nicht, in wiefern sie befallen sind.


Abschussgespräch


Wie jeden Donnerstag habe ich auch in dieser Woche ein Arztgespräch. Die Ärztin sieht sich meine Wunde genauer an und verschreibt mir eine Creme mit Cortison. Die hätte ich vermutlich schon früher gebraucht. Zudem zeige ich ihr meinen Arm. „Ist dieser nun dicker?", frage ich sie. Sie meint nicht, dass ich Lymphdrainage brauche. „Da wird oft viel zuviel gemacht", bekräftigt sie noch einmal. Das will ich hören, denn ich habe momentan gar keine Lust nach den 6 Wochen am Stück gleich schon wieder zu irgendeiner weiteren Behandlung zu müssen.


Erst einmal ein bisschen Abspannen und meine Müdigkeit vorbeigehen lassen. Chemo und Bestrahlungen parallel war nun doch ein bisschen viel.


Rückblick


Zuhause blicke ich - entspannt wieder etwas geschafft zu haben - auf die Zeit zurück: Wie war meine Bestrahlungsphase? Wie hat mir denn nun meine „Zitronenlimonade" geschmeckt? Bzw. wie sehr ist es mir denn gelungen aus den Zitronen, den unangenehmen Dingen des Lebens, etwas Positives zu machen. Haben sich meine Erwartungen erfüllt, etwas Schönes aus dieser Zeit zu machen?


Ein klares Ja!


Ich habe diese Bestrahlungszeit in sehr guter Erinnerung:

  • Die tägliche Fahrt mit meinem roten Flitzer nach Ingolstadt mit Musik oder Nachrichten hören hat mir Spaß gemacht. Ich fahre gerne Auto.

  • Zudem habe ich dabei mindestens einmal pro Woche meine Eltern und meine Schwester besucht, mit ihnen zusammen gegessen oder Cappuccino getrunken.

  • Dann hatte ich die unkomplizierte Möglichkeit, einen Nachmittag mit einer Ingolstädter Freundin zu verbringen - sowie einen Asylbewerber zu besuchen, der mittlerweile nach Ingolstadt gezogen ist.

  • Ein Highlight war auch ein schöner Abend beim Italiener mit Elke und ihrem Mann. Sie war im Krankenhaus mit mir auf dem Zimmer, als ich operiert wurde. Da wir total auf einer Wellenlänge liegen, haben wir weiter Kontakt gehalten. Sie und ihren Mann habe ich dann auch noch einmal in ihrem bezaubernden Blumenladen besucht und dort wunderschöne getrocknete Rosen im Glas erstanden.

  • Ein sehr spannendes Erlebnis war auch, als mich Elke dann vor meinem Bestrahlungstermin noch in aller Früh um 8.30 Uhr aus der Wohnung meines Sohnes Andreas herausklingelte. Kopflos wie ich so früh am Morgen noch bin, stürmte ich freudig hinaus und lies die Tür hinter mir zufallen. Alles, einschließlich meines Autoschlüssels, war dann noch in der Wohnung. Bei uns zu Hause haben wir keine solche "aufpassen-dass-sie-nicht-zufällt-Tür!" Das wäre für meine Gedankenlosigkeit auch der Gau! Der Vorteil aber war, dass ich somit doch noch in den Genuss eines Taxis kam. Meine Freundin chauffierte mich nämlich freundlicherweise zum Klinikum. Sie hatte Gott sei Dank Zeit und so konnten wir uns während der Autofahrt noch so ganz von Frau zu Frau über unsere Bestrahlungserfahrungen austauschen. Sie war damit nämlich bereits schon durch. So machten wir beide wieder aus etwas Negativem etwas Positives. Andreas, der nicht so weit entfernt arbeitet, brachte dann zwischenzeitlich den Schlüssel bei der Strahlenklinik vorbei.

  • Ja, und das Zusammenleben mit ihm war dann auch der größte Gewinn. Gast zu sein beim eigenen Sohn! Ich habe es total genossen, von ihm ein Sandwich gemacht zu bekommen und mich mit ihm lange zu unterhalten. Vor allem war ich tatsächlich als Rabenmutter vorher noch nie in seiner Wohnung. Von daher war es schon interessant zu sehen, wie er die Woche über so wohnt.

  • Das Übernachten in Ingolstadt ermöglichte mir dann auch das unkomplizierte Teilnehmen an zwei Infoabenden. Bei einem wurde ein Kurs über Achtsamkeit vorgestellt und ein weiterer handelte von Arbeitsrecht, Wiedereingliederung, Rente und was man sonst noch alles als "Krebskranke" so wissen sollte.

  • Zudem nutzte ich die Gelegenheit, eine psychoonkologische Beratungsstelle aufzusuchen. Diese hat mir Professor Schuck bereits beim Einführungsgespräch zur Bestrahlung empfohlen. Diese liegt genau gegenüber der Klinik. Die fünf Sitzungen konnte ich dann sehr gut mit meinen Bestrahlungsterminen verbinden. Ich hatte zwar keinerlei psychische Probleme. Aber irgendwie war ich neugierig, wie die Onkopsychologin das Ganze angeht. Und ich habe dann doch viele Impulse für mein Leben aus den Gesprächen herausgezogen.

  • Ja und dann war Frau natürlich noch ein bisschen shoppen, Geschenke besorgen, im Baumarkt Farbe und Utensilien fürs Weißeln besorgen, lecker beim Asiaten essen ...


Eine echt gelungene Zeit. Die brennende, offene Wunde war so wirklich das einzig Saure an der ganzen Zeit. Sie hat tatsächlich über 3 Wochen gebraucht, bis sie abgeheilt war. Einen BH während dieser Zeit zu tragen, tat richtig weh.


Nun sind nur noch ein paar Pigmentveränderungen sichtbar. Okay, die Muskulatur im bestrahlten Bereich ist sehr hart geworden. Das soll davon kommen, dass Eiweiß in der Körperflüssigkeit durch die Bestrahlung gerinnt. Davon hatte ich ja noch ausreichend in meiner Brust. Vielleicht wäre eine weitere Punktion vorher doch gut gewesen. So habe ich nun aber eine Art natürliches Gelkissen in der Brust. Das Ganze lässt sich schon aushalten und vielleicht lockert sich ja alles noch etwas mit der Zeit.


Die Zitronenlimonade war also doch sehr erfrischend. Aber eigentlich ist sie ja nur Beiwerk. Denn das Wichtigste an dem Ganze ist ja die Frage: „Hat es was gebracht? Sind die bösen Zellen auch wirklich alle erwischt worden?"

Das wäre natürlich super.

Denn dann könnte ich mit Recht sagen: Es war eine gelungene Grillzeit!



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